Liebe Familie, liebe Freund*innen, lieber Solidaritätskreis,
wie versprochen folgt nun, nachdem ich vor mittlerweile über 3 Monaten meinen Freiwilligendienst in Rumänien begonnen habe, mein erster Rundbrief, mit dem ich euch einen kleinen Einblick in mein Leben hier geben möchte.
Ich nehme jetzt mal mein Tagebuch als Erinnerungshilfe zur Hand und fange natürlich bei der Hinreise an
Reise / Ankunft
Ich weiß, dass viele, vor allem meine Mama, denen ich erzählt habe, dass ich mit dem Zug nach Rumänien reisen werde mich für verrückt gehalten haben, aber da es gewünscht und üblich ist, in Ländern innerhalb Europas ein umweltschonenderes Transportmittel als das Flugzeug zur Reise zu wählen, war für mich schnell klar, dass ich meinen Freiwilligendienst auch mit diesem kleinen Abenteuer beginnen werde. Ob es nun wirklich ein Abenteuer war, weiß ich nicht. Jedenfalls bin ich am 30. August um 10:48 Uhr mit dem ICE in Koblenz am Hauptbahnhof losgefahren und kam nach 2 Umstiegen in Wien und Simeria (Rumänien) am nächsten Tag mittags um ca. 13 Uhr Ortszeit in Petrosani, der Stadt, die für das nächste Jahr mein Zuhause sein sollte, an. Die ca. 26- stündige Reise war zwar anstrengend, aber trotzdem halb so schlimm wie erwartet und ich würde es auch immer wieder so machen. Meine Projektleiterin, Alexandra, die ich schon von meinem Vorbesuch im Juni kannte, hat mich dann am Bahnhof abgeholt und mich zu meiner Wohnung gefahren, die zum Glück auch nur wenige Fußminuten von meiner Einsatzstelle entfernt ist. Nachdem ich dann erstmal angekommen war, war auch der kleine Kulturschock, den ich früh morgens in Simeria am Bahnhof etwas überraschend hatte, schnell wieder vergessen.
Einsatzstelle: Asociatia Autism Helping Hands
Am nächsten Tag um 9 Uhr begann dann auch schon mein erster ,,Arbeitstag‘‘ in meiner Einsatzstelle Asociatia Autism Helping Hands. Ich bin von montags bis donnerstags von 9-18 Uhr dort. Zum Glück wurde ich sofort super von meiner Kollegin Arina, die auch Englisch kann, durch den Tag mitgenommen. Es ist auch bis heute dabei geblieben, dass ich die meiste Zeit des Tages mit Arina verbringe, da meine Einsatzstelle eben ein Therapie-Zentrum für Kinder mit Autismus ist, in dem vordergründig 1-zu-1 Therapie gemacht wird. Das heißt eine Therapeutin ist mit einem Kind in ihrem jeweiligen Raum bzw. bei Arina dann eben von dort an auch ich. Oftmals sitze ich einfach dabei und schaue zu, aber die Therapie ist natürlich sehr spielreich und kindgerecht gestaltet, da einige Kinder auch erst 2-3 Jahre alt sind, das heißt es wird auch oft getanzt, gebastelt und gespielt. Ich habe mich von Anfang an sehr wohl und gut augehoben in meinem Projekt gefühlt, auch wenn ich am Anfang wirklich gar kein Rumänisch konnte und deshalb den Tag über außer mit Arina kaum geredet habe. Das hat sich aber zum Glück relativ schnell geändert, da sich schnell auch meine anderen Kolleginnen getraut haben mehr Englisch zu sprechen und sich meine Sprachkenntnisse zumindest im Umgang mit den Kindern relativ schnell etwas ausgeweitet haben, sodass ich zumindest kurze Anweisungen wie Stai jos (= Setz dich hin) oder Hai sa dansam (=Komm, wir tanzen), etc. geben konnte. Mittlerweile würde ich fast sagen, dass ich relativ gut Rumänisch kann, natürlich mit dem Hintergrund, dass ich erst seit 3 Monaten hier bin, aber es hilft mir schon sehr. Sowohl in meinem Projekt, als auch im Alltag. Auch die Kinder haben sich zum Glück trotz ihrer Einschränkungen recht schnell an mich gewöhnt, was mich zum Einen positiv überrascht hat und mir zum Anderen auch den Start und das ,,Ankommen‘‘ im Projekt erleichtert hat. Und wenn die Kinder zum Kuscheln kommen oder einem Küsschen geben, ist alles andere sowieso für einen Moment vergessen Ein Highlight sind auf jeden Fall immer die Geburtstage der Kinder, die wir dann mit ganz viel Kuchen, Süßigkeiten und Tanzen feiern & auch andere besondere Tage, wie Halloween, der Nationalfeiertag am 1. Dezember und jetzt natürlich Weihnachten werden ausgiebig bereits Tage/Wochen im Voraus mit allen möglichen anlassbezogenen Aktivitäten und Tänzen zelebriert, was wirklich immer schön ist.
AAHH-Team <3
Caritas: Maria-Stein
Nach ca. 2 Wochen ist Alex, der früher der Leiter der Caritas hier in Petrosani war und sich daher immer etwas um die Freiwilligen hier kümmert, auf mich zugekommen und durch ihn bin ich dann zum Maria-Stein Projekt der Caritas gekommen, indem schon viele andere SoFiA Freiwillige ihren Freiwilligendienst gemacht haben. Dort gehe ich nun seit ca. 2 Monaten jeden Freitag von 12-16 Uhr hin. Es ist eine schöne Abwechslung für mich und ich finde es toll, dieses Projekt etwas unterstützen zu können, da dort jeden Mittag hilfsbedürftige Kinder ein warmes Mittagsessen bekommen, ihnen bei den Hausaufgaben geholfen wird und ihnen einfach ein sicherer und liebevoller Ort geschaffen wird. Ich verstehe mich auch mit den beiden Frauen, Flavia und Mihaela, die dort arbeiten super und gehe mit Flavia mittlerweile auch ab und an zusammen ins Fitnessstudio.
Caritas-Team
Freunde, Freizeit, Urlaub
Durch Alex habe ich auch Estera kennengelernt, durch die ich wiederum Andreea kennengelernt habe, mit der ich mich von dort an regelmäßig getroffen habe, weil wir uns auf Anhieb super verstanden haben. Im Oktober habe ich dann auch ihre Eltern und Brüder kennengelernt, ihre Eltern, leben und arbeiten seit einigen Jahren die meiste Zeit des Jahres in der Schweiz, und von dort an hatte bzw. habe ich hier ein zweites Zuhause gefunden, wofür ich so unendlich dankbar bin, vor allem weil ich zuvor einfach niemanden hier kannte und die Wochenenden quasi immer alleine verbracht habe. Ein Wochenende relativ am Anfang meiner Zeit hier habe ich allerdings auch mit meiner Projektleiterin Alexandra und ihrer Familie ,,auf dem Land‘‘, wie man hier sagt, verbracht, da ihre Familie dort herkommt und einige noch dort wohnen. Wir hatten wirklich ein super schönes Wochenende, mit viiiel leckerem Essen und alle waren super offen und freundlich und ich war sehr dankbar dafür, dass Alexandra mich mitgenommen hat und ich so nach den ersten paar Wochen hier mal ,,rauskam‘‘. Die Natur hier ist sowieso super schön. An einem der folgenden Wochen war ich mit Andreea und ihrem kleinem Bruder Ionut an einem kleinen See (Lac Unex) der nur wenige Kilometer von hier entfernt in den Bergen liegt und wir haben dort gepicknkickt, das war auch super schön, vor allem weil das Wetter auch super schön war!
Lac Unex
Das Wetter hier hat mich sowieso sehr positiv überrascht, es war, bis auf eine Ausnahme von einer Woche Anfang September, wirklich bis Mitte November meist gutes Wetter und sonnig und auch gar nicht kalt. Jetzt ist das schöne Wetter zwar leider vorbei, aber selbst jetzt hat es bisher nur in den Bergen geschneit und die Temperaturen sind auch noch auszuhalten, zum Glück.
Mitte Oktober an einem Samstagabend hat mich Martin, der einzige andere Rumänien-Freiwillige von SoFiA neben mir, angeschrieben, dass er spontan eine Woche frei bekommen hat und gerne etwas rumreisen würde und mich eventuell auch besuchen kommen könnte, wenn ich Zeit hätte. Da ich aber ausgerechnet für das kommende Wochenende geplant hatte Andreea in Timisoara zu besuchen, da sie dort studiert, beschlossen wir uns einfach in Cluj zu treffen. Ich kannte Cluj bereits, da meine Eltern und ich dort hingeflogen sind, als wir im Juni zu meinem Vorbesuch hier waren und ich fand die Stadt damals schon echt schön und eine spontane kleine Auszeit kam mir ganz gelegen. Also machte ich mich, natürlich nachdem meine Projektleiterin meinem Plan zugestimmt hatte, 2 Tage später mit dem Zug auf den Weg nach Cluj wo ich dann die nächsten 2 Tage verbrachte, die bis dahin mit Sicherheit die schönsten und wohltuendsten Tage für mich waren, seit ich in Rumänien war. Wie geplant habe ich mich dann auch mit Martin getroffen und der Austausch tat auch einfach echt gut. Von dort fuhr ich dann freitagsmorgens sehr früh mit dem Zug nach Timisoara zu Andreea. Auch ihre Mama und zwei ihrer Brüder waren dann dort und wir hatten wirklich ein super schönes Wochenende zusammen und ich war einfach glücklich und dankbar, weil mir dort klar wurde, dass ich jetzt wahrscheinlich eine (große) zweite Familie hier gefunden habe.
Mein Happy-Face in Cluj
Seitdem habe ich wirklich jedes Wochenende bei Andreea zuhause verbracht, sogar wenn sie mal am Wochenende in Timisoara geblieben ist, habe ich das Wochenende dann trotzdem mit ihrer Mama und ihren Brüdern verbracht. Andreeas Mama kocht und backt immer soo gute Sachen, wir spielen Gesellschaftsspiele, gucken (Weihnachts-)Filme, haben auch zusammen den Weihnachtsbaum aufgebaut usw., also dort zu sein, ist mittlerweile quasi wie zuhause zu sein. <3
Weihnachtspäckchen Konvoi
Heute ist Sonntag, der 11. Dezember, und eine der wohl prägendsten Wochen meines Lebens neigt sich dem Ende zu.
Am letzten Sonntagnachmittag ist das diesjährige Petrosani-Team des Weihnachtspäckchen Konvois (nicht dasselbe wie die Weihnachten-im-Schuhkarton- Aktion, wie ich selbst zuerst dachte) mit einem ganzen LKW voller Weihnachtspäckchen beim Caritas Haus angekommen, wo bereits viele Helfer, meine beiden Kolleginnen von der Caritas und ich bereits aufgeregt auf sie warteten. Für mich war es natürlich toll mal wieder mit Deutschen zu sprechen, aber auch einfach zu sehen, was für diese riesige Menge an Geschenken es war, die die kommenden Tage an die Kinder hier vor Ort verteilt werden sollten. Mehr durch einen Zufall, einfach weil ich grade da war, als sie ankamen, wurde ich Teil dieser wundervollen Aktion, wofür ich so unendlich dankbar bin. Noch am selben Abend, und auch an den Folgenden, ging ich mit dem Team Abendessen und merkte sofort, was für tolle Leute ich da gerade kennenlernte. Also machte ich mich dienstags mit ihnen und dem Caritas-Team auf den Weg zu Schulen, Kindergärten und am Nachmittag auch zu einem Waisenhaus, um so viele Päckchen wie möglich an all die Kinder zu verteilen. Diese unfassbare Freude und die strahlenden Kinderaugen waren einfach unbezahlbar und rührten uns alle mehr als nur einmal zu Tränen und ich spürte mehr als in den letzten drei Monaten zuvor, wofür ich das hier eigentlich mache. Eigentlich war geplant, dass ich am nächsten Tag wieder normal in mein Projekt gehe, aber ich wusste, dass ich die Chance einfach nutzen musste, Teil des Ganzen sein zu dürfen und rief so abends um 20 Uhr, nachdem wir zuvor schon beim Priester waren, meine Projektleiterin an und sagte ihr, dass ich den nächsten Tag gerne nochmal mit dem Team verbringen würde. Natürlich hatte sie nichts dagegen, wir verbrachten einen weiteren super schönen und lustigen Abend, inklusive Karaoke-Singen, miteinander und am nächsten Tag ging es wieder los. Der Mittwoch wurde noch intensiver und berührender als es der Dienstag schon war, es sind mehr Tränen geflossen und ich spürte schon, dass das wahrscheinlich ein einschneidender Tag in meinem Freiwilligendienst oder sogar Leben war, dessen Eindrücke ich erstmal verarbeiten muss. Am Donnerstagmorgen ging ich normal zur ,,Arbeit‘‘, aber als das Team dann noch Päckchen in meinem Projekt abgegeben hat und es Zeit war sich zu verabschieden, merkte ich schon, dass der vorherige Tag tiefe Spuren und Gefühle in mir hinterlassen hat, die mich nun überkamen. Ich hatte nun zum Glück ein paar Tage Zeit alles etwas zu verarbeiten, aber ich weiß trotzdem, dass ich diese paar Tage wahrscheinlich nie wieder vergessen werde. Aber auch wenn diese traurigen Schicksale mit denen man konfrontiert wurde und das Wissen, dass man das Elend auf der Welt nicht verändern kann, wirklich schmerzhaft sein können, hat mir diese Aktion umso mehr gezeigt, dass jede noch so kleine Tat eine Veränderung macht und dass es richtig ist, dass ich hier bin. Dafür, und vor allem für die tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte, bin ich sehr dankbar.
Dieser Abschnitt ist jetzt länger geworden als geplant, aber es liegt mir sehr am Herzen.
Ende
In weniger als 2 Wochen komme ich für eine Woche, also über Weihnachten, nach Hause, worauf ich mich jetzt auch wirklich sehr sehr freue und ich denke für mich war es jetzt die richtige Entscheidung, auch wenn ich lange zweigespalten war.
Ich bin gespannt, wie es danach so für mich hier weitergeht und werde euch dann in ca. 3 Monaten wieder ein Update geben. Danke für’s Lesen und frohe Weihnachten! <3
La revedere!