Ein „Salut“ aus Deutschland,
Genauso unvermittelt wie die Hinreise nach Frankreich, kam auch die Abreise auf mich zu. Auf einmal konnte man die Tage an den Fingern abzählen und die Koffer ließen sich bis auf den letzten Drücker einfach nicht packen. Im Leben gibt es immer wieder Momente in denen man sich zurücklehnt und trotz der Zweifel die Gedanken schweifen lässt, ohne zu wissen, wohin sie einen führen bzw. zu welchen neuen oder bekannten Erkenntnissen man dabei kommt. Mir geht es jedenfalls manchmal so und um Ordnung in meinen Kopf zu schaffen und an neuen Perspektiven dazuzugewinnen, nehme ich ein wenig Abstand und lasse die Gedanken „fliegen“.
Mit einem Blick zurück und ein Blick auf heute, möchte ich euch noch einmal mit in die Erlebnisse meines FSJ mitnehmen. Leider sind die Empfindungen nicht mehr ganz so frisch, da ich bereits seit 2 Monaten zurück in Deutschland bin, doch das macht nichts.
Osterfest
Nach Weihnachten und dem Neuen Jahr kam Ostern auf mich zu. Das Osterfest wird in der Arche besonders festlich gefeiert und die gesamte Archegemeinschaft mit ihren Freunden sowie ehemaligen Freiwilligen findet zusammen. Dabei stimmt man sich bereits mehrere Tage vor dem eigentlichen Fest innerlich auf Ostern ein, indem jeder Tag mit einem gemeinsamen spirituellen Impuls auf Piache startet. Danach verbringt man den Vormittag/Nachmittag mit seiner Wohngruppe in der Natur und pilgert jeden Tag ein Stückchen weiter, bis Ostern vor der Tür steht.
Die Stimmung war ausgelassen und durchbrach die merkbare Anspannung in der Arche. Fröhlich feierten wir am Sonntag in einer großen Runde Ostern. Es wurde musiziert, getanzt und die Samen und Früchte der Gemeinschaft lagen symbolisch unter dem Baum. Abgerundet wurde der Tag mit einem großen Festessen vor der Kirche.
Für mich blüht die Gemeinschaft besonders an Festtagen auf und stellt für die Bewohner*innen Tage der Vorfreude und Freude dar. Ab und an habe ich Soline und Laurent, zwei Mitbewohner meines Foyers, schmunzelnd über Bilderbücher gebeugt gesehen. Ich denke, da geht es keinem anders
Mit der Zeit habe ich mir immer mehr Gedanken über meine Zukunft gemacht, aber eher im Hinblick auf das Studium. So kamen viele Zweifel zurück und es viel mir schwerer, die Zeit nicht hinter dem Laptop und mit Recherchearbeit zu verbringen. Doch in diesem Moment erschien es mir als ausgesprochen wichtig. Zum Glück gibt es da die innere Stimme oder Freunde, die einen an andere Dinge im Leben erinnern und so fuhren wir mit den deutschen Freiwilligen für ein Wochenende nach Annecy und lernten ein paar neue Ecken von Frankreich kennen. Mit der Zeit drängten aber die Studienanmeldefristen nach neuen Entscheidungen und sehr dankbar habe ich das Zwischenseminar als Zeitpunkt genommen, meine Gedanken „schweifen“ zu lassen.
Zwischenseminar in Rumänien
Das Zwischenseminar fand in Rumänien statt, um den Standort besser zu lokalisieren: Im Kolpinghaus in Sighișoara. Eine kleine und wirklich sehr bunte Stadt. Bereits die Anreise war ein kleines Abenteuer für sich und freudig saßen vier SoFiA-Freiwillige vereint im Zugabteil auf dem Weg nach Rumänien. Alleine die Anreise hatte eine beflügelnde Wirkung, da man auf eigener Faust für mehrere Tage unterwegs war. Überall stößt man auf nette Menschen und so lernten wir unser „Mutti“ in Budapest kennen. Wir saßen gemütlich im Zugabteil und wären das wohl auch geblieben, hätte uns eine Frau nicht darauf aufmerksam gemacht, dass die Züge in Budapest getrennt werden und wir in einen Nachtzug umsteigen müssten. Erst als wir unser Schlafabteil gefunden hatten, ließ sie uns unserer Wege gehen.
Im Kolpinghaus angekommen war es, als hätte man die Zeit angehalten, alles andere wirkte so weit weg. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wohl ich mich in der Runde gefühlt habe. Es war immer ein Austausch auf Augenhöhe und man hat sich gegenseitig ermutigt und aufgebaut, sodass man neue Kraft schöpfen konnte.
An dieser Stelle möchte ich SoFiA danken, da die Seminare immer einen großen Raum für alles Mögliche boten.
Auf der Rückreise wurde uns allen deutlich, wie viele Menschen sich gerade auf der Flucht wegen des Ukraine-Krieges befinden. Das Zugabteil war mit Menschen, Haustieren und großen Koffern gefüllt und ab und an wurde der Zug aufgrund von fehlenden Einreisedokumenten oder Visaaufenthaltsgenehmigungen angehalten. Auch die Bahnhöfe waren Sammelpunkte und besonders in Budapest und Wien kamen die Menschen an den Hilfsstände zusammen. All das waren für mich persönlich ganz neue und wichtige Eindrücke, die ich verarbeiten musste. Aber auch die privilegierte Stellung wurde einem bewusst, beispielsweise wurde ich im Nachtzug nicht geweckt, um mich auszuweisen und der Tonfall der Kontrolleure war sehr viel freundlicher.
Das Studium
Zwischenzeitlich hatte ich mich bei einigen Unis für Designstudiengänge eingeschrieben und verbrachte immer mehr Abende damit, meine Kunstmappe fertig zu stellen. Der Druck wurde auf jeden Fall immer größer und die gemeinsame Zeit weniger. Auch die Reisen nach Deutschland für die Eignungsprüfungen nahmen mehrere Tage in Anspruch, sodass ich bereits langsam Abschied nahm. Rückblickend finde ich es sehr schade, wie ich meine letzten Monate verbracht habe, da die Beziehungen freundschaftlicher wurden und man mehr gemeinsame Zeit hätte haben können, aber in dem Moment war ich zu sehr mit dem Studium beschäftigt. Ich glaube da liegt es an einem selbst, nachzuspüren inwiefern man sich bereits vor, während oder nach dem Auslandsaufenthalt gedanklich mit „später“ beschäftigen will und alles ist da richtig und erlaubt.
Während dieser Zeit wurde ich sehr unterstützt und war gerührt von all der Herzlichkeit, die sie mir entgegen brachten. Besonders Marie-Hèlene hat mit ihrem Humor und der lockeren Art, dem ganzen mehr Witz gegeben.
Änderungen in der Arche de la Vallée
In meinem letzten Rundbrief hatte ich bereits die kommenden Änderungen der Arche angesprochen und gegen Ende sind sie dann auch eingetroffen. Nachdem sich mein Team erst sehr stark reduziert hatte, weil viele sich unter den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr wohlfühlten, ist es mit einem mal auf 10 statt 4 Leute gewachsen. Außerdem arbeitet man nun sowohl im Foyer als auch im Atelier, wodurch das Team durchmischter und größer ist. Jetzt musste ich erneut meinem Platz unter den neuen Kolleg*innen finden, aber der Abschied rückte näher und meine Gedanken kreisten sich um das Studium, daher fühlte ich mich mit der Zeit immer weniger mit eingebunden und nahm ein bisschen Abstand. Das neue Format bietet definitiv viele Chancen und ich hoffe sehr, dass die erhoffte Dynamik eintreffen wird. Denn es bleibt einem häufig zu wenig Zeit für jeden Einzelnen, sodass die Umsetzung von Projekten, wie für Alain das Erlernen einzelner Gerichte, um eigenständig campen zu gehen oder für Michelle der Besuch einer Hundeschule, im Alltag einfach untergehen. Am Wochenende ist es die Umsetzung von Ausflügen, die sich als schwierig gestaltet, da selten immer alle mitwollen, weshalb ebenfalls „salariés“ im Foyer bleiben müssten, was aber meist nicht möglich ist, da wir nur zu zweit oder zu dritt sind. Doch das Glück auf dem Lande ist, dass alles Grün nicht so
weit entfernt ist und so haben wir stattdessen im Fluss gebadet und ein Picknick mitgebracht.
Das Zusammenkommen der Arche
Ein sehr schönes Erlebnis war das Treffen aller französischen Archegemeinschaften in der Nähe von Lyon. Das Motto war: „die kleinen Dinge bereiten uns Glück“ und das habe ich in meinem FSJ ebenfalls gespürt, da die Arbeit und das Wohnen in einer Wohngruppe häufig von den kleinen Dingen erfüllt werden. Leider lassen sich die kleinen Dinge schwerer in Worte fassen und wirken „unspektakulärer“ und wenn ich von meinem Dienst berichten will, neige ich dazu eher an größere Ereignisse zu denken bzw. meine davon berichten zu müssen. Aber besonders schön waren die kleine Glücksmomente, wenn beispielweise Soline und ich uns dabei ertappten, wie uns vor Müdigkeit die Augen zu fielen oder die Freude bei große Kissenschlachten, das Mitfiebern bei Fußballspielen der französischen Mannschaft oder kleinen Gesten der Aufmerksamkeit. Von all diesen kleinen Glücksmomenten wurden einige davon in der großen Runde mit allen Archegemeinschaften geteilt.
Der Tag begann mit jeweils einem Vorstellungstanz der einzelnen Gemeinden und am Nachmittag folgten viele kleine Theaterstücke rund um das Thema, wie wir zum Glück finden.
Wunderschöne Orte
Janick (links) kümmert sich um das Wohlergehen aller!
Erzählrunden in der Sonne vor dem Foyer
Laurent und ich zusammen im Garten
Die letzten Tage
Die letzten Wochen nutzte ich für einen runden Abschied und besuchte noch einige Menschen, bei denen ich mich persönlich verabschieden wollte. Eine prima Gelegenheit, um nochmal alles sagen zu können, was man der anderen Person mit auf ihrem Weg geben will. Ich erinnere mich noch an die Worte von Alain, meinem Nachbar, ich solle eine starke Frau bleiben und mich nicht von einem Mann blenden lassen. Es sind einfach so kleine Erinnerungen, die mir viel gegeben haben und mir noch viel geben, denn den Moment danach, als Jacky, seine Ehefrau, ihn ganz verwundert anschaute und beide zu lachen begonnen, werde ich, wie das Gefühl, ganz selbstverständlich mit Ihnen am Esstisch
sitzen zu können, nicht vergessen. Und obwohl sie den Krieg miterlebt haben und ihre Familien viel Leid durch Deutschland erfuhren, hätten sie nicht herzlicher und versöhnlicher mit der Welt sein können. Auch die letzten Abendspaziergänge mit Joel werden mir in Erinnerung bleiben.
Die Feier im Foyer war ähnlich wie alle anderen Feiern, aber nicht weniger schön! Gemeinsam saßen wir im Sitzkreis und erzählten uns von unseren Erlebnissen mit der jeweils anderen Person, dabei wurde eine Kerze herumgereicht und jeder der wollte durfte sprechen. Die Frage, „Was teilst du mit der anderen Person?“ ist gar nicht so leicht zu
beantworten und ich hatte das Gefühl, dass einigen Beeinträchtigten die Worte fehlten, aber im Verlaufe der Runde teilte man sich immer mehr mit. Genau dieser Rahmen sich regelmäßig zu danken, ist ein wirkliches schönes Ritual der Arche. Mir persönlich hat es viel gegeben und mich gleichzeitig auch dazu angeregt darüber nachzudenken, was eine andere Person besonders macht.
Nun bin ich wieder zurück und bereits direkt nach der Ankunft war ich gedanklich wieder ganz im Hier und Jetzt, weshalb ich mir viel zu wenig Zeit genommen habe, das ganze Jahr Revue passieren zu lassen. Aber es sind so viele Eindrücke und Erinnerungen, die einem glaube ich erst nach und nach immer bewusster werden. Aber was ich abschließend sagen kann ist, dass es für mich persönlich eine sehr wertvolle Erfahrung war, in dieser kurzen Zeit so vielen tollen Menschen begegnet zu sein und jetzt sind es Fragen wie: „In welcher Form halte ich Kontakt?“, Wann gehe ich die Arche wieder besuchen“, „Schicke ich mal eine Postkarte?“, „Fahre ich meine Mitfreiwilligen besuchen?“, die mich beschäftigen. Es ist schön, sich diese Frage stellen zu können.
Also vielen Dank an all die Menschen, denen ich begegnet bin und die mich auf dem Weg unterstützt haben, da es nicht immer leicht war!
Ich hoffe, ich konnte euch mit auf meine Reise nehmen…
Fühlt euch umarmt
Myriam
Vivi und ich in Rumänien