Bolivien: 1. Rundbrief von Emma Nothelfer
Bolivien
Emma Nothelfer
04.03.2024
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Hallo an alle!

Ich freue mich sehr, euch in meinem ersten Rundbrief von meiner ersten Zeit hier in Bolivien berichten zu dürfen. Es waren 3 Monate voller neuer Eindrücke, Erfahrungen und Begegnungen. Es ist kaum möglich, alles Erlebte in einem Brief zu erfassen, trotzdem hoffe ich, einen kleinen Einblick geben zu können.

Beginnen wir ganz von vorne, und zwar am 08.08.2023. An diesem Tag bin ich gemeinsam mit den anderen vier Trierer-Freiwilligen vom Frankfurter Flughafen aus gestartet. Mit dem Flugzeug sind wir zuerst nach Madrid, von dort aus dann nach Santa Cruz (bereits in Bolivien) und zu guter Letzt nach La Paz gereist. In La Paz angekommen, wurden wir herzlich am Flughafen von Isabel, unserer Freiwilligenkoordinatorin, in Empfang genommen. La Paz ist wortwörtlich atemberaubend. Die Stadt liegt auf über 3.500 Höhenmetern und ist damit die höchstgelegene Verwaltungshauptstadt der Welt. An die dünne Luft muss sich der Körper natürlich erstmal gewöhnen, weshalb bereits Treppensteigen eine große Anstrengung darstellte und ich auch mit Symptomen der Höhenkrankheit zu kämpfen hatte.

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Gemeinsam mit den drei Freiwilligen aus Hildesheim haben wir hier dann unsere ersten Tage in Bolivien verbracht und wurden in kleinen Seminareinheiten auf unseren Dienst vorbereitet.

Am Freitagabend war es dann auch schon so weit: mit la flota, Reisebus und Haupttransportmittel über Land, ging es nach Tarija. Tarija ist die südlichste Stadt Boliviens und liegt kurz vor der argentinischen Grenze. Mit circa 300.000 Einwohnern ist sie eher klein, für mich als Dorfkind aber dennoch ein Upgrade. Tarija gilt außerdem als sehr schöne und gleichzeitig sehr entspannte und ruhige Stadt mit sehr lieben Bewohner:innen – den “Chapacos.” So nennt man die Menschen hier. Mir gefällt es in Tarija wirklich gut. Ich fühle mich sehr sicher und lebe hier sehr gerne.

Begleitet wurde ich auf der Fahrt von meiner Gastschwester Dani. Den ersten Monat wohnte ich nämlich bei ihren Eltern, während sie selbst aktuell in El Alto lebt und arbeitet. Nach 15 Stunden Fahrt kamen wir dann endlich in Tarija an. Am Busterminal wurde ich super herzlich willkommen geheißen von der gesamten Ortsgruppe der Hermandad (übersetzt Bruderschaft, Partnerschaftsorganisation der Bistümer Boliviens mit den Bistümern Trier und Hildesheim), sowie meinen Gasteltern.

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Ankunft am Terminal in Tarija

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Meine Gastfamilie

Mitte September hieß es dann Abschied nehmen. Ich bin nämlich in mein permanentes Zuhause für das kommende Jahr umgezogen. Ich bewohne ein kleines Zimmer mit eigenem Bad, das im Haus der Franziskaner Schwestern liegt.

Nun fingen auch endlich meine Projekte an. Ich habe zwei Einsatzstellen: El Comedor Amiguitos de Jesús und La Pastoral Movilidad Humana, kurz PMH.

Der Comedor de Niños ist ein Mittagstisch für Kinder und wird von Schwestern des Karmeliterordens geleitet. Montag bis Freitag kommen Kinder der umliegenden Schulen hierher zum Mittagessen. Aktuell sind es circa 60 Kinder, von 3 bis 18 Jahren. Ihre Eltern müssen entweder sehr viel arbeiten oder haben wenig finanzielle Mittel, weshalb sie im Comedor essen.

Täglich wird frisch und mit viel Liebe gekocht. Die Mahlzeit besteht aus einer Suppe, einem Hauptgericht, einem Getränk und einem Nachtisch. Meine Aufgabe ist es, morgens die Köchinnen und die Schwestern bei der Zubereitung zu unterstützen. Anschließend helfe ich bei der Essensausgabe an die Kinder, die zwischen 11.30 und 13.30 Uhr kommen. Danach wird aufgeräumt, gespült und geputzt, bis alles wieder bereit ist für den nächsten Tag.

In la PMH bin ich ebenfalls von Montag bis Freitag, immer abends. La PMH ist eine Herberge für Migrant:innen, bietet also Menschen einen sicheren Platz zum Schlafen. Außerdem erhalten sie kostenlos Abendessen, sowie ein kleines Frühstück. Auch hier verbringe ich viel Zeit in der Küche.

Jeden Abend kommt eine andere Gruppe bolivianischer Freiwilliger. So durfte ich weitere sehr nette Menschen kennenlernen. Generell ist das Team von la PMH wie eine große Familie. Auch außerhalb der Arbeit unternimmt man etwas gemeinsam und stärkt den Zusammenhalt.

Außerdem wohnen im Heim die beiden Freiwilligen Mariel aus Tarija und Manuela aus Venezuela. Die beiden sind bereits wie große Schwestern für mich geworden.

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Ich beim Kochen im Projekt

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Teil des Teams PMH am día del migrante

Im September habe ich auch angefangen, meine Freizeit bewusst zu gestalten. So nehme ich zweimal die Woche an einem Tanzkurs Teil, wo wir einen bunten Mix aus traditionellen und modernen Tänzen erlernen. Darüber hinaus gehe ich einmal die Woche in eine Musikschule, wo ich die Möglichkeit habe in einer Holzbläserklasse Querflöte zu spielen. Hier habe ich dann Victoria kennengelernt. Sie ist deutsche Freiwillige in der Musikschule, allerdings von einer anderen Organisation entsandt. Nachdem ich meinen gesamten Alltag eigentlich nur mit Bolivianer:innen verbringe, war es sehr erfrischend, sich mal wieder auf Deutsch unterhalten zu können.

Apropos Sprache, dadurch, dass ich jeden Tag nur Spanisch höre und spreche, konnte ich relativ schnell erste Erfolge sehen. Das Erlernen der neuen Sprache macht mir sehr viel Spaß und ich freue mich über jedes neue Wort, was ich lerne. Trotzdem gibt es natürlich auch viele Momente der Frustration, wo mir die Worte fehlen und es mir nach wie vor schwerfällt, die Menschen zu verstehen. Glücklicherweise sind alle Leute in meinen Projekten sehr verständnisvoll und sind sich nicht zu schade, einen Satz fünfmal zu wiederholen, bis ich endlich verstanden habe. Das ist nicht selbstverständlich, dementsprechend bin ich natürlich sehr dankbar für die großartige Unterstützung.

Glaube, Spiritualität und die katholische Kirche spielen hier in Bolivien eine weitaus größere Rolle als ich das aus meinem Umfeld in Deutschland kenne. So auch die Heiligenverehrung. Gleich im August durfte ich so bereits zwei Traditionen der Region kennenlernen.

Zum einen wird im August und September der Heilige San Roque gefeiert, dem nachgesagt wird, sich früher um Leprakranke gekümmert zu haben. Ihm zu Ehren finden den ganzen Monat Prozessionen statt, bei denen Männer, Chunchos genannt, in traditionellen bunten Trachten und Musikinstrumenten durch die Straßen ziehen und dabei um Gesundheit für Familie und Freunde bitten.

Zum anderen findet zur gleichen Zeit die Festlichkeit der Virgen de Chaguaya statt. Chaguaya ist ein kleines Dorf, 67,5 km von Tarija entfernt, und ein bedeutender Wallfahrtsort. So pilgern vor allem junge Leute eine ganze Nacht lang dorthin. Ich selbst bin nicht mitgelaufen. Allerdings haben mich zwei Freundinnen eingeladen, mit ihnen Kaffee an alle fleißigen Läufer:innen zu verteilen. So haben wir am letzten Streckenabschnitt unser Lager aufgeschlagen und die ganze Nacht Kaffee gekocht und ausgegeben. Ich war sehr beeindruckt, wie viele Menschen tatsächlich den ungefähr 12 Stunden langen Weg zu Fuß antreten, unter ihnen auch ältere Menschen oder Familien mit kleinen Kindern.

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Parade der Chunchos

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Wir an unserem Kaffeestand - Ortsgruppe der Hermandad Tarija

Anfang November wird hier der día de los muertos – also der Tag der Toten – gefeiert. Man gedenkt im Kreise der Familie an verstorbene Angehörige und Freund:innen. Dazu besucht man den Friedhof und verbringt Zeit am Grab. Außerdem wird im Haus ein Tisch gedeckt, mit allem, was der Verstorbene gerne mochte. Dabei herrscht die ganze Zeit eine fröhliche Stimmung und es wird im Positiven an die Toten gedacht. Ich hatte das Glück den Feiertag im Kreis der Familie von Yercina zu verbringen. Sie ist meine Chefin im Projekt PMH und lädt mich regelmäßig zu sich ein, was ich immer sehr gerne annehme. 

So weit so gut, ich hoffe sehr, ich konnte euch einen kleinen Einblick in meine ersten Monate in Bolivien geben. Bei Fragen oder Unklarheiten immer gerne melden! Bis zum nächsten Mal

Ganz liebe Grüße aus Tarija, 

Emma