Bolivien: 2. Rundbrief von Ronja Knopp
Bolivien
Ronja Knopp
15.09.2024
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Hallo liebe Leser_innen,

nach langer Zeit kommt nun endlich mein zweiter Rundbrief hier aus dem schönen und langsam immer kälter werdenden Patacamaya.

Auch, wenn es jetzt schon wie eine Ewigkeit her wirkt und zum deutschen Sommeranfang auch eher weniger passend ist, schließe ich hier direkt thematisch an meinen ersten Rundbrief an, nämlich im Dezember und mit der Weihnachtszeit. 

Aber nach der Weihnachtszeit ist dann ja schließlich die Vorweihnachtszeit, oder so. 

Sommer, Sonne, Weihnachten

Beim Lesen müsste man sich wahrscheinlich noch mal etwas in die richtige Stimmung von vor einem halben Jahr zurück versetzen, die kühlen, dunklen Abende, der Duft von Plätzchen im Haus und die Weihnachtsdekoration, die einen von allen Seiten anspringt. Aber immerhin wurde hier Weihnachten theoretisch auch im Sommer gefeiert (wobei das für die „Sommer“-Verhältnisse in Patacamaya und generell hier im Altiplano ein starkes Wort ist), weshalb man die meisten Sachen, die man bei uns wahrscheinlich mit der Winter-/Weihnachtszeit verbindet, hier nicht wiedergefunden hat. 

Hier verhält es sich aber generell mit den Jahreszeiten anders, was ich jetzt etwas besser nachvollziehen kann, wo ich fast einen Jahreszyklus schon miterlebt habe. Generell gilt hier, dass die Jahreszeiten wie „vertauscht“ sind, jedoch habe ich hier nicht wirklich Frühling, Sommer, Herbst und Winter auseinanderhalten können. Hier lässt sich das Jahr viel mehr in Regenzeit und Trockenzeit aufteilen. Im Sommer war es hier prinzipiell wärmer, sodass man tagsüber auch mal mit dem T-Shirt herumlaufen konnte, aber dadurch, dass das die Regenzeit ist, war es auch oft bewölkt und wenn die Sonne fehlt, dann fehlt auch die Wärme und man läuft wieder in zwei Pullovern herum. Im sich anbahnenden Winter hat man weniger Wolken, da es keinen Regen mehr gibt, wodurch es Tagsüber ähnliche Temperaturen wie im Sommer geben kann, dafür kühlt es dann aber nachts enorm ab. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Rindbriefes, merkt man abends schon die Unterschiede, sodass beim Schlafen dann doch wieder ein dickerer Pullover angezogen wird. Am stärksten, finde ich, merkt man den Wandel zwischen Regen- und Trockenzeit aber an der Vegetation. Denn ich war ganz überrascht, als ab Januar plötzlich alles an Sträuchern grün war, das kam von jetzt auf gleich. Alles, was vorher nur eine grau-braune flache Landschaft war sah dann auf einmal richtig belebt aus, mit Gräsern, Blumen und den wachsenden bestellten Feldern. 

Aber zurück zum Dezember letzen Jahres. Denn trotz des Tausches der Jahreszeiten, wird vieles an Traditionen und Dekorationen von uns übernommen, was für mich aber nicht so richtig ins Bild gepasst hat. Die Motive vom Schneemann, vom Schneebedeckten Tannenbaum u.ä. sahen daher irgendwie für mich fehl am Platz aus. Und ich glaube da ich das nicht so gewohnt war, in dieser Zeit nicht dieses Winter-Feeling zu haben, wie ich es von zu Hause und von zum Beispiel den Weihnachtsmärkten (die ich sehr vermisst habe) kenne und gewohnt bin, kam generell keine große Weihnachtsstimmung bei mir auf. 

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Vorführung einer der Gruppen; Im Hintergrund zu sehen sind die ganzen Zuschauer und die Kirmes

Am 20. Dezember gab es dafür aber ein großes Event, das Desfile de Navidad. Das kann man sich vorstellen wie einen Karnevalsumzug nur mit Weihnachten als Thema. Für diesen Tag kann man sich als Gruppe einschreiben, um dann auf der Avenida und final vor einer Jury auf der Plaza zu tanzen oder etwas anderes vorzuführen. Alle, die etwas vorführten, bekamen dann am Ende ein Geschenk; Die Kinder Spielzeuge wie Puppen und Autos und die Erwachsenen Milchreis und Panetón (das italienische Gebäck, was sich hier das ganze Jahr über, aber besonders um die Weihnachtszeit, an großer Beliebtheit erfreut). Später sollte es dann noch von der Jury, die unter anderem aus dem Bischof bestand, eine Preisverleihung für die besten Gruppen geben.

Ich glaube im großen und ganzen hat halb Patacamaya daran teilgenommen und es gab daher eine sehr große Anzahl an Gruppen mit teils enormen Größen. Ich war mit meinen Freunden in einer Gruppe und wie die meisten anderen tanzten wir keine tagelang einstudierte Choreo. Mir wurde (2 Stunden vorher!!!) gesagt: „ Ach tanz einfach ein bisschen“… So „einfach“ geht das für mich jetzt nicht mit meinen zwei linken Füßen aber dann stand ich da abends in meinem Elfenkostüm (es haben sich eigentlich alle verkleidet, als Reh, Schneemann, Grinch etc.). Am Ende war es aber nicht so schlimm wie gedacht für mich, da wir wirklich einfach nur zu Weihnachtsmusik im Kreis getanzt haben und ein paar einzelne in der Mitte vom Kreis. Es ging da also am Ende viel mehr einfach nur darum, ein bisschen Spaß mit seinen Freunden zu haben, sich zu verkleiden, zur Musik zu tanzen und sich am Ende noch einen warmen Milchreis zu holen und zusammen zu plaudern und zu essen. Direkt auf der Mitte der Plaza wurde für die Weihnachtszeit noch eine Kirmes aufgebaut, die an diesem Abend im vollen Gange war. Da sind wir dann nach unserem Auftritt hingegangen, sind mit den Fahrgeschäften gefahren, haben Schokobananen gegessen und insgesamt eine richtig schöne Zeit miteinander verbracht. Am Ende vom Abend gab es dann noch die Preisverleihung und unsere Gruppe machte tatsächlich den zweiten Platz. Wobei ich da glaube, dass es eine Rolle gespielt haben könnte, dass ein sehr guter Freund von vielen aus unserer Gruppe mit in der Jury saß, aber wer weiß :D. 

Bei so Veranstaltungen wo es Preise gibt, sind die auch in der Regel nicht irgendwelcher Ramsch, sondern Lebensmittel oder andere Sachen, die jeder im Haushalt gebrauchen kann. Für unseren zweiten Platz bekamen wir unter anderem einen großen Sack Mehl und Zucker, Nudeln, Panetón und Reis, was dann unter allen aufgeteilt oder verkauft wurde. 

Insgesamt war dieses Desfile super interessant, weil ich diese ganze Stimmung, die da auf kam, sonst nur mit Karneval verbunden hätte und das eben hier in einem komplett anderen Kontext war. Es war aber ein sehr schönes Fest was man mit Freunden feiern konnte und wo für mich im Endeffekt auch die größte Weihnachtsstimmung aufkam. 

Denn Weihnachten selber war für mich eher ernüchternd. 

Ich kann jetzt nicht sagen, wie so ein typisches Weihnachtsfest in einer Familie abläuft, da ich eben in einem kirchlichen Umfeld gefeiert habe. Das hat nämlich dazu geführt, dass das Fest dieses mal sehr viel anders war, als ich es aus Deutschland kannte. Was ich aber mitbekommen habe, ist, dass das Prinzip einer Bescherung zum Beispiel nicht sehr typisch ist. Zum einen gibt es hier logischer Weise keine Tannenbäume, maximal welche aus Plastik, aber da es sich bei Weihnachten um eine ausländische Tradition handelt, gehört der für uns klassische Heiligabend vor allem in den kleineren Dörfern und Kleinstädten nicht zum 24.12 dazu. Es gibt eine Messe und ein Abendessen und manchmal bekommen die Kinder Kleidung geschenkt, aber keine Spielzeuge o.ä. In den größeren Städten sieht das scheinbar etwas anders aus, da werden nach und nach mehr Traditionen die es auch bei uns gibt übernommen (zum Beispiel die Idee mit einer Bescherung), aber auch hier bei mir in Patacamaya war es glaube ich eher untypisch. Dennoch gab es von der Kirche oder dem Bürgermeister in den Vortagen einige Aktionen, wie das Desfile, an denen Spielzeuge, Süßigkeiten und Schulmaterial an die Kinder ausgeteilt wurde. 

Am 24. haben die Nonnen und die Padres also den Tag über die Messe vorbereitet, welche am Abend um acht Uhr stattfinden sollte. Der Gottesdienst selber war super schön, es gab einen Kinderchor der Weihnachtslieder gesungen hat und ich war zusammen mit meinen Freunden und wir haben viel geredet und gelacht. 

Plätzchen backen kann natürlich trotzdem nicht fehlen! Hier habe ich welche mit meiner besten Freundin Mayra zur Weihnachtsfeier gebacken 

(Personen: Rimberth (links, sehr guter Freund von mir, der auch selber nächstes Jahr seinen Freiwilligendienst in Deutschland macht <3) und sein Bruder, Mayra und ich)

Nach der Messe, die so um halb elf endete, verabschiedete ich mich von den anderen und ging zusammen mit den Nonnen in die Parroquia, das Haus in dem die Padres wohnen, um dort zu essen. Der Bischof selber war den ganzen Tag nicht in Patacamaya selber, sollte aber am Abend zurückkehren, weshalb wir dann auf ihn warteten. Wir haben zusammen noch ein wenig Karten gespielt, aber allgemein war die Stimmung recht ausgelaugt, da vor allem die Padres die Tage davor und auch an diesem Tag noch sehr viele Kommunen besucht haben und die ganze Zeit auf Achse waren. Als der Bischof dann um halb zwölf ankam, gab es dann also ein gemeinsames Essen (wo ein Priester am Tisch eingeschlafen war :D). Ein typisches Gericht an Weihnachten ist Picana. Dabei handelt es sich um eine große Schüssel Suppe mit allerlei Sachen drin: Hähnchen, Rind, Schwein, Mote (Art Mais), Kartoffeln, Chuño und Tunta, Erbsen, Möhren und anderes Gemüse. Und dieses Gericht ist ein absoluter Endgegner was das rein motorische Essen angeht. Denn in dieser Schüssel werden all diese Fleisch- und Gemüsearten kunsthaft auf die doppelte Höhe der Schüssel gestapelt und dann wird diese bis zum Rand mit der Suppe befüllt (leichte Übertreibung ist möglich). Als einziges Besteck bekommt man dann noch einen Löffel. Und ich beschreibe besser nicht, wie die Tischdecke vor mir aussah, als ich versucht habe, dieses Picana zu essen, man könnte dann nämlich meinen es wäre eine Dreijährige gewesen. 

Nach dem dann doch sehr sättigendem Essen haben wir uns alle voneinander verabschiedet und ich bin danach auch nur noch in mein Bett gefallen. 

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Gruppenfoto mit allen Teilnehmern

In den Tagen danach gab es dann für drei Tage ein Treffen der PJV (= pastoral juvenil vocacional), also der in der Kirche aktiven Jugendlichen. Diese finden öfter statt, manchmal ist es von ein/zwei Gemeinden und zwei mal im Jahr von der gesamten Prälatur, so wie dieses mal. Insgesamt waren in diesen Tagen schätzungsweise 80 Jugendliche hier, um den Tag über Workshops zu machen, zusammen zu essen und abends noch Spiele zu spielen, zu tanzen und zu singen. Für mich war das dieses Mal das erste Mal, an dem ich daran teilgenommen habe und ich wusste nicht genau was ich erwarten sollte, aber am Ende war es super cool. Die Themen über die sie geredet haben habe ich zwar nicht wirklich verstanden zu dem Zeitpunkt, das hatte noch nicht zu meinem Sprachniveau gepasst, aber alleine wie viele Leute ich da neu kennengelernt habe, war super. Ich kam da sowohl mit Jugendlichen von außerhalb in Kontakt als auch mit welchen von hier, mit denen ich vorher nicht viel zu tun hatte. Auch mit den Teamern/ Gruppenleitern habe ich mich super verstanden, weil die meisten in meinem Alter oder etwas älter waren und ich habe da auch meinen aktuell besten Freund kennengelernt. Wie gesagt, mit den Workshops konnte ich wenig anfangen, aber die „Kulturnächte“ danach waren immer sehr unterhaltsam. Es wurden Theaterstücke aufgeführt, zusammen getanzt und selbst die Padres haben sich nicht davor gescheut, bei den ganzen Spielen mitzumachen, was zu sehr vielen lustigen Momenten geführt hat. Und auch wenn ich einige Punkte habe, in denen ich hier die Kirche und ihre Rolle zu einem gewissen Maße kritisieren würde, finde ich, zeigen sich hier die positiven Seiten von dem starken Einfluss. Vor allem bei diesen Treffen sehe ich immer was für eine Gemeinschaft geformt wird, es werden Möglichkeiten geschaffen Kontakte zu knüpfen, Freunde zu finden und allgemein eine schöne Zeit zusammen zu verbringen. Es kamen einige Jugendliche aus sehr abgelegenen kleinen Dörfern angereist, denn die Prälatur ist sehr weitläufig. Und so Veranstaltungen sind da eine gute Möglichkeit, der Entfernung doch etwas entgegenzuwirken. Am dritten Tag hieß es dann Abschied nehmen. Auch für mich, da ich im nächsten Monat mit den anderen Freiwilligen die Sommerferien nutzen wollte, um Bolivien zu bereisen. Die Wochen davor habe ich schon mit Planen verbracht und ich war super aufgeregt und gespannt. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich nicht richtig offen über meine Ideen und Pläne reden will und kann. Mit so Personen wie Mayra, meiner Mentorin, ist das kein Problem, aber als ich zum Beispiel einem der Padres, auch ein guter Freund von mir, von meinen Plänen erzählte, hatte er sich für mich gefreut aber auch bei den meisten Sachen gesagt, dass er diese selber noch nie gesehen hat. Und das ist schon ein seltsames Gefühl, wenn du weißt, dass du in dem einen Monat mehr von dem Land hier sehen wirst, als die meisten Erwachsenen von hier mit Mitte vierzig. Das habe ich schnell gemerkt und das alles deshalb nur noch teilweise angesprochen. Das brach dann ein Thema auf, wo ich vorher nicht so richtig drüber nachgedacht hatte, das Reisen. Denn zu dem Zeitpunkt, wo ich diesen Brief am schreiben bin habe ich schon mehr von Bolivien gesehen als eigentlich alle in meinem Umfeld, die Padres, die Nonnen, die Köchinnen, meine Freunde… für die meisten ist das zeitlich und finanziell nicht so umsetzbar. Auch glaube ich, dass die Reisekultur (unter anderem aus diesen Gründen) in Deutschland viel präsenter ist als jetzt zum Beispiel hier. Dadurch hatte ich die Zeit vor dem ganzen Rumgereise und auch noch währenddessen darüber nachgedacht, wie ich vor allem im Nachhinein über was erzählen kann. Ein Gedanke den ich zum Beispiel ganz am Anfang hatte, war, dass das bestimmt total toll wird, wenn ich den Kindern in meinem Projekt Fotos vom Machu Picchu, der Salar de Uyuni und den Tropen in Beni zeigen kann. Einfach mit dem Gedanken, dass sie sich auch immer sehr gerne Fotos aus Deutschland angeguckt haben. Da aber einige von ihnen zum Beispiel noch nicht einmal die zwei Stunden entfernte Stadt La Paz kennen, hatte es sich für mich dann doch falsch angefühlt, ihnen von meinen Reisen zu erzählen. Am Ende war es dann so, dass ich, wenn sie gefragt hatten, eine heruntergebrochene Version erzählt hatte; Dass ich zum Beispiel nur in einer oder zwei anderen Städten war. Und auch sonst bei anderen Personen, wo das irgendwann mal zur Sprache kam, hatte ich immer Angst, dass das wie eine Art Angeben („Guck mal ich bin die Deutsche die viel Geld hat und sich das ganze Herumgereise leisten kann“) rüberkommt, auch wenn das nie meine Absicht wäre und ich einfach gerne die unfassbaren Erfahrungen und die atemberaubenden Sachen, die ich gesehen habe, geteilt hätte. Aber dafür habe ich dann meine Freunde und Familie aus Deutschland, mit denen ich das teilen kann und auch hier in diesem Rundbrief will ich kurz darüber berichten, auch wenn es nicht direkt die Arbeit als Freiwilliger abdeckt. Dennoch habe ich auch da viele Erfahrungen gesammelt und das Land in dem ich hier für ein Jahr lebe mehr kennengelernt. 

Reisen

Aufgemacht habe ich mich mit meinem Rucksack ein Tag nach dem Treffen der PJV, kurz vor Neujahr. Der erste Stopp war Tarija, die Weinstadt im Süden Boliviens, wo ich mich mit Roseli (Freiwillige aus Potosí) und der dortigen Freiwilligen Emma treffen wollte, um zusammen Silvester mit Emmas Freunden zu feiern. Dafür bin ich zum ersten mal mit der Flota (=Reisebus) gefahren. Das ist hier das gängigste Transportmittel für weitere Strecken, da es keine Personenzüge gibt und Flüge sehr viel teurer sind. Mit der Flota kann man mit maximal umgerechnet 25-30€ in jede Stadt Boliviens reisen. Es gibt in der Regel drei Arten von Reisebussen: Normal, Semicama (=Halbbett) und Cama (=Bett). Und allgemein kann es manchmal ein kleines Glücksspiel sein, in welcher Verfassung der Reisebus ist, denn vor allem eine 18 Stunden Fahrt nach Santa Cruz über Nacht möchte man, denke ich, ungern ohne Klimaanlage und funktionierenden Ladestationen bestreiten, aber die Erfarungen die ich selber bis jetzt machte, waren größtenteils sehr positiv. Am schwersten ist vielleicht noch das Kaufen des Tickets, denn die Busterminals sind für mich glaube ich der chaotischste Ort, den man sich vorstellen kann. Beispiel La Paz: Wenn man erst einmal in den falschen Minibus eingestiegen ist, der NICHT den Berg zum Terminal hochfährt sondern nur unten dran vorbei, steigt man also bei der Kreuzung aus und läuft erst einmal den Hügel mit seinem 15 Kilo Rucksack hoch. Komplett verschwitzt und außer Atem oben angekommen, wird man von einem riesigen Eingangsportal begrüßt. Man ist optimistisch und es wurde einem gesagt, welche die besten Reiseunternehmen sind. Man schreitet durch die Tür und erst einmal kommen von allen Seiten Leute angerannt: „Wo wollen sie hin?“, „Gehts für sie nach Sucre junge Dame?“, „SANTA CRUZ, SANTA CRUZ, SANTA CRUZ!!!“, „Komm mit mir, ich weiß wo du hin musst!“… Wenn das noch nicht ausreicht, ist spätestens der Anblick der schier tausenden Reiseunternehmen, die aneinandergereiht sind und sich links und rechts bis in die Unendlichkeit nach hinten raus erstrecken und das Gewusel der hunderten Menschen in dem Gang dazwischen, genug für eine überforderte Schockstarre. Nachdem man sich davon dann erholt hat, flüchtet man vor den Angestellten der Reiseunternehmen und sucht alles andere ausblendend nach den Namen der einem genannten Reisebüros. Immerhin findet man an jedem Terminal in Bolivien eine Übersicht, die angibt, wie viel man bis wohin maximal bezahlt, das schließt zumindest schon mal die Angst aus, über den Tisch gezogen zu werden. Das richtige Unternehmen gefunden geht es dann daran, mit seinen mittlerweile besseren aber immer noch bedürftigen Spanisch-Kenntnissen ein Busticket „Cama“ nach Tarija zu erfragen. Da da alles glatt lief, ist man dann guter Dinge und wartet mit seinem Ticket auf einer Bank bis man zu seinem Bus gehen kann, während man wie ein Schießhund auf seine Sachen aufpasst, da alle einem gesagt haben, dass die Terminals recht gefährlich sind, was Taschendiebstahl u.ä. angeht. Später findet man noch heraus, dass man zu dem Busticket noch ein Ticket braucht, was quasi erlaubt, dass man das Terminal benutzen darf und rennt dann kurz vor Abfahrt noch panisch im ganzen Terminal herum, um zu suchen, wo man dieses Ticket für 3 bs kaufen kann, um dann aber später zu erfahren, dass man es auch einfach noch im Bus selber von dem Kontrolleur ersteigern kann. Wenn man dann im Bus sitzt, nachdem man fünf mal kontrolliert hat das sein Rucksack auch sicher unten im Lagerraum verstaut ist, kann die Fahrt dann auch schon mit einer halben Stunde Verspätung losgehen, aber man ist wenigstens das ja schon mal von der Deutschen Bahn gewohnt, von daher ist das der am wenigsten schockende Teil. 

Die Fahrt selber ging über Nacht und auch recht lange, da Tarija recht abgelegen und eigentlich von allem weit entfernt ist. Dennoch ist es eine super schöne und angenehm warme Stadt, wo wir einiges unternehmen konnten. Unter anderem waren wir im Weinhaus „Casa Vieja“, welches dafür bekannt ist, kostenlose Weinproben anzubieten, bei denen man fünf Weine und zum Schluss einen Singani probieren kann. Dennoch war da ganz lustig, dass wir in der Schlange dafür anstanden und dann aber herausgewunken wurden, da es angeblich noch einen zweiten Raum gab und dort gerade eine Führung begann, wo wir noch mitmachen konnten. Plötzlich standen wir in einem Raum wo es nur Touristen gab. Warum genau sie uns extra dahin gebracht haben und die Besucher, so wie es für uns gewirkt hat, getrennt haben, war uns nicht ganz klar. So oder so war die Weinprobe ganz interessant, wobei hier fast alle Weine, egal ob lieblich, halbtrocken oder trocken, eigentlich lieblich waren. Danach sind wir noch ein bisschen herumgegangen um die Umgebung zu genießen, die mich mit ihren Weinbergen ein bisschen an meine Heimat erinnert hat, um uns danach noch draußen auf die Terrasse zu setzen. Dort feierten scheinbar fünf Leute einen Geburtstag o.ä., und wir wurden von den zwei Frauen der Gruppe eingeladen uns zu ihnen zu setzen und das ganze entwickelte sich dann zu einem Abend, an dem uns sehr (sehr) viel Wein spendiert wurde. Generell ist die Offenheit, bei so Feiern fremde Personen einzuladen und sich dann dazuzugesellen hier doch etwas üblicher als in Deutschland, wobei sich die Personen in unserem Fall auch glaube ich stark dafür interessiert haben, woher wir kommen, was wir hier machen etc. 

Nach einer sehr schönen Silvesterfeier von Freunden, von denen es sich bei zwei auch um Freiwillige handelt, die aktuell in Deutschland ihren Freiwilligendienst machen, ging es dann für uns drei weiter nach Sucre. 

Aussicht vom Casa Vieja auf die Weinberge 

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Die weiße Stadt, Sucre, von oben

Sucre ist die richtige Hauptstadt Boliviens, mit der oft La Paz gleichgestellt wird, da sich da die Regierung befindet. Sie wird auch die „weiße Stadt“ genannt, da dort viele der Gebäude weiß gestrichen sind und je nachdem wo genau in der Stadt man ist, bekommt man zumindest ein bisschen das Gefühl als wäre man auf Santorini. Dort haben wir viel die Stadt erkundet und was mir auffiel, ist, dass sie wirklich merklich stärker auf den Tourismus ausgelegt ist. Es gibt überall verteilt viel mehr Souvenir-Läden und generell wird einem das meiste teurer verkauft. Dennoch haben wir ein paar nette Cafés entdeckt und waren in einem interessanten Museum über Webkunst, wo man etwas über die verschiedenen Arten von Webtechniken erfahren hat. Am spannendsten fand ich die Tücher der Jalq‘a (gerne googeln) Dabei handelt es sich um Träume die in roten und schwarzen Farben gewebt werden. Es zeigt oft Fantasiewesen und Dämonen und es gibt einige spezielle Symbole und Darstellungen, die ikonographisch gedeutet werden können. Ich will hier jetzt aber nicht mit meinem Halbwissen was ich mir da in zwei Stunden angeeignet habe um die Ecke kommen, selbst wenn ich mich an alles erinnern könnte :D; Aber alleine sich die Textilien anzugucken ist unfassbar interessant, weil man so viele Dinge und dargestellte Szenen entdecken kann. 

Danach haben wir noch Cal Orcko, ganz in der Nähe der Stadt, besichtigt. Dabei handelt es sich um Dinosaurier-Fußspuren, die bei Arbeiten in einer Felswand gefunden wurden. Aber dann war für uns die Zeit in Sucre auch schon rum und wir fuhren weiter nach Potosí, um uns dort mit einigen von den anderen Freiwilligen zu treffen. Hier waren wir nur kurz, um von da aus weiter zu einem der Highlights, Salar de Uyuni (der größten Salzwüste der Welt) zu fahren. Spannend war aber die Minentour, die wir noch zuvor in Potosí gemacht haben. Diese wurde von unserem Hostel angeboten, welches mit einem ehemaligen Minenarbeiter zusammenarbeitet, der mittlerweile studiert hat und Touren durch aktive Minen anbietet. Ausgerüstet mit voller Montur, bedeutet Kleidung, Gummistiefel, Helm und Licht ging es dann für uns in die Mine. Potosí ist sehr bekannt, vor allem für sein Silber und andere Mineralien. Meines Wissens nach war Potosí auch mal die reichste Stadt Boliviens, vor allem durch den Silberabbau, das hat sich aber mit der Zeit gewandelt. Vor der Fahrt zur Mine hielten wir aber noch bei einer Tienda, wo der Führer uns erklärte, was alles in den Minen von den Arbeitern benötigt wird, da sie sich diese Sachen alle selber kaufen müssen. Dazu zählt unter anderem vor allem das Dynamit mit Zündschnur usw. Es gibt glaube ich das Gerücht, dass man in Potosí ja in jedem Laden Sprengstoff kaufen kann, aber ganz so ist das nicht. Es gibt nur spezielle Tiendas, die mit ihrem Sortiment auf die Minenarbeitern abgestimmt sind. Die finden sich vor allem in Richtung der Minen. Uns wurde dann angeboten, dass wir einige Geschenke für die Arbeiter dort kaufen konnten, entweder Arbeitsmaterialien oder auch Trinken oder Coca. Denn der Führer erklärte uns, dass wir eben in eine aktive Mine gehen und mehr oder weniger die anderen Arbeiter in ihrer Arbeit behindern. Somit konnte man, wenn wir einigen von ihnen begegnen, uns dafür bedanken, dass wir uns ihre Arbeit angucken dürfen. Somit haben viele etwas für die Minenarbeiter besorgt und danach machten wir uns auf zu den Minen. 

Eingang in die Minen mit unserer Reisegruppe 

Insgesamt befanden wir uns für grob vier Stunden in den Minen und das war wirklich eine sehr krasse Erfahrung. Das erste was man merkt, ist, wie staubig die Luft wird und wie schwer einem das Atmen fällt. Dann waren die meiste Zeit die Decken so niedrig, dass man in der Hocke gehen oder krabbeln musste. Die spannendsten Momente waren, wenn wir auf den Gängen der Gleisen waren und die Männer von oben riefen, dass eine Lore mit Steinen kam und wir dann so schnell wie möglich aus dem Weg mussten, um den Verkehr nicht zu behindern. Auch gab es zwei Passagen wo man mit Platzangst nicht gut dran gewesen wäre, auch ich kam da an meine Grenzen. An diesen Passagen musste man sich liegend vorwärts bewegen und das war tatsächlich dann doch ein sehr beklemmendes Gefühl. Auf der Strecke begegneten wir einigen Arbeitern, und manche machten auch Pause, um uns ein paar Sachen zu erzählen. Zum Beispiel das Alter und seit wann sie in den Minen arbeiten. Und oft war ich überrascht, wie jung die Arbeiter waren oder wie lange sie schon in den Minen arbeiten. Auch unser Führer, der uns etwas ausführlicher von seiner Geschichte erzählte, hatte mit 14 Jahren in den Minen angefangen. Er erklärte uns, dass auch wenn die Arbeit sehr auslaugend sein kann und auch angesichts vieler Punkte stark auf die Gesundheit geht, wird er (vor allem wegen diesen Faktoren) sehr gut bezahlt, weshalb sich doch viele dafür entscheiden, in den Minen zu arbeiten. Ich für meine Verhältnisse muss gestehen, dass ich schon nach den vier Stunden fix und fertig war und einfach nur noch hätte umfallen können. Aber es war auf jeden Fall super interessant mal einen zumindest kleinen Einblick zu bekommen, wie so der Arbeitsalltag für die Minenarbeiter dort aussieht. Auch haben wir auf dem Weg viele historische Fakten erzählt bekommen und das alles hier wiederzugeben würde definitiv den Rahmen sprengen. Ich war mir aber lange unsicher, ob ich so eine Minentour machen möchte, einfach weil ich mich dabei schon etwas seltsam gefühlt habe. In diesem Monat war es das erste mal, das ich wirklich touristische Programme gemacht habe. Und in diesem Fall fand ich das so schwierig, da man sich fast die Leute da anguckt als wären sie irgendwelche exotischen Tiere im Zoo. Ich fand es auch sehr seltsam, als andere Touristen die Personen bei ihrer Arbeit fotografiert haben, wo ich auf jeden Fall die Grenze gezogen hätte. Allein durch die Anwesenheit hält man die Leute dort schon vom Arbeiten ab, aber sie müssen dabei jetzt meiner Meinung nach nicht noch wie irgendein Ausstellungsstück fotografiert werden. Allgemein würde ich sagen, dass es sich schon gelohnt hat, diese Tour zu machen, da ich sehr viel gelernt habe und der Guide ein unfassbares Repertoire an Geschichten, Anekdoten und Fakten hatte; über Revolutionen in der Vergangenheit, bis hin zur aktuellen politischen Situation der Minenarbeiter in Bolivien. Dennoch kann man sich sicherlich über solche Touren streiten, aber unser Minen-Guide hatte uns erzählt dass vieles von dem Geld für die Tour den Arbeitern in den Minen zu gute kommt und sie deshalb mit den Besichtigungen einverstanden sind. Ich hoffe da einfach mal dass das stimmt und dass das nicht nur den Touristen erzählt wird, damit sie eher dazu verleitet werden, so Touren zu machen, weil sie damit dann „helfen“. Nachtrag: zum Zeitpunkt, wo ich den Brief hier am schreiben bin, war ich bei einem der Priester, Padre Efrain, in seiner Gemeinde Colquiri zu Besuch. Dieses Dorf lebt vor allem von zwei Minen und als ich bei ihm war, haben wir zusammen mir einigen anderen Priestern, drei Nonnen und dem Bischof, die sich dort alle für eine Konferenz versammelt haben, ebenfalls eine Mine besichtigt. Diesmal war die Erfahrung ein wenig anders, da es keine direkt touristische Führung war. Die Mine in der wir waren wirkte sehr viel fortschrittlicher und moderner, wir fuhren zum Beispiel mit einem Bus 2,5 Kilometer in de Berg hinein um dann dort Räumlichkeiten mit Duschen und Aufenthaltsräumen für die Minenarbeiter wiederzufinden. Auch gingen wir in einen riesigen Raum rein um uns ein Gerät anzugucken (wo ich ehrlich gesagt nicht ganz verstanden hab wofür das genau war), was das erste dieser Art in Lateinamerika sein sollte. Wir sind bei der Besichtigung jedoch nicht in die tatsächlichen Minen gegangen, wo die Mineralien abgebaut werden. Wenn ich die beiden Situationen jetzt vergleiche, dann würde ich sagen dass das was man sieht schon stark von der Situation abhängig ist. Ich kann mir vorstellen dass uns bei der touristischen Führung schon eher die härteren Lebensrealitäten gezeigt wurden (um vielleicht auch die Touristen mehr zum Spenden zu animieren?), während es den Führern bei der Minentour in Colquiri eher darum ging, dem Bischof und den Priestern zu zeigen wie fortschrittlich sie sind; Ich glaube da kommt es wirklich auf die Absichten und den Fokus an. Und obwohl Colquiri eine sehr kleine Stadt oder ein größeres Dorf ist, zeigt sich wie ertragsbringend die Minenarbeiter ist. Denn zu jeder Jahresfeier des einen Minenunternehmens findet in dem Dorf eine riesige Feier statt, bei der einige hier sehr bekannte Bands auftreten (unter anderem auch eine Revival Band von Modern Talking aus Deutschland :D). Das fand ich auch noch sehr interessant, aber zurück zu unserem Urlaub im Januar…

Wie schon angekündigt ging es nämlich dann auch schon von Potosí aus nach Uyuni, der kleinen Stadt direkt an der Salzwüste. Von dort aus kann man verschiedene Touren buchen, wir entschieden uns dabei eine für drei Tage zu machen, das ist die gängigste Tour, da man da eigentlich alle „Attraktionen“ sehen kann. Dabei verbringt man auch nur einen Tag in der Salzwüste selber. Danach begibt man sich in Richtung eines Nationalparks bis hin zur chilenischen Grenze. Auf dem Weg dahin besichtigt man viele Lagunen mit Flamingos und anderen Tieren. Und unsere Hauptaktivität in dieser Zeit war es, Fotos mit den Guides zu machen, viele Fotos. Wir haben alle 30 Minuten angehalten für einen neuen Fotospot und das alles ging so weit, dass wir irgendwann sagen mussten, dass wir echt keine neuen Fotos mehr mit der fünften Lagune brauchen. Diese drei Tage waren sehr schön, vor allem die Natur war atemberaubend, jedoch war diese Zeit auch an der Reise gefühlt das anstrengendste, einfach weil ich mich gefühlt hab, als würden wir von einem Punkt zum anderen gepfercht werden, um die perfekten Instagram-Fotos zu machen (was wahrscheinlich auch die Hauptaufgabe der Touri-Guides ist). Auch ein deutsches Paar, was mit uns die Tage im Auto verbracht hatte, wollte genau diese Fotos haben und haben sich deshalb auch zum Beispiel einmal beschwert, dass ihnen die Salzoberfläche nicht weiß genug für die Fotos ist, weshalb wir noch weiter gefahren sind, um die weißesten Salzböden zu finden. Also scheinbar gibt es Leute, die gezielt dann auch die ganzen Strapazen für die besten Fotos auf sich nehmen, für uns war es über die drei Tage letztendlich dann aber auch irgendwann ein bisschen zu viel des Guten. 

Die Spiegeloberfläche während der Regenzeit 

Die Truppe beim Sonnenuntergang

Die “Flaggeninsel“ in der Salzwüste 

Eines von wirklich seeeehr vielen Perspektivfotos die wir gemacht haben

Versuch sich an Alpakas anzuschleichen, jedoch kam ich nie näher als 3 Meter :/

Ein Viscacha (laut Google auch: Cuvierhasenmaus); Der Gesichtsausdruck ist immer sehr lustig von denen

Nach dieser anstrengenden aber im Endeffekt doch sehr lohnenswerten Reise in die Salar de Uyuni ging es dann nach einem kurzen Zwischenstopp in La Paz weiter nach Cusco, der Stadt in Peru von der aus man den Machu Picchu besichtigen kann. Dennoch wurde es uns nicht leicht gemacht zu verstehen, wie genau man wo hin muss und welche Tickets kaufen muss. Ich würde es gerne erklären, aber ehrlich gesagt habe ich das meiste davon schon vergessen/ verdrängt :D. Man muss auf jeden Fall einen Bus buchen, der einen zu einem kleinen Dorf fährt, von da aus muss man entweder mit einem überteuerten Zug zu einem etwas größeren Dorf fahren oder man macht es wie wir und unterschätzt die Wanderstrecke und läuft sechs Stunden mit Gepäck dort hin. Dann kann man am nächsten morgen früh zu Fuß oder (wir haben aus unseren Fehlern gelernt) mit einem Bus zum Berg Machu Picchu hinauffahren, um die alten Inka-Ruinen zu besichtigen. Es gibt auch mehrtägige Wandertouren, die man bis dahin bestreiten kann und die ich ursprünglich machen wollte, nachdem ich aber das atemberaubende Bergpanorama (sehr viele Berge mit viel hoch und runter) gesehen habe, war ich doch ganz froh dass wir uns als Gruppe dagegen entschieden haben. 

In Cusco selber hatten wir dann noch meinen Geburtstag gefeiert und sind dann wieder zurück nach La Paz gefahren. Für mich und einige andere Freiwillige ging es dann noch weiter nach Santa Cruz, der größten Stadt Boliviens, die wirklich sehr sehr warm ist, aber dafür auch sehr grün und künstlerisch. Von dort aus fuhr ich dann noch weiter in ein kleineres Dorf namens San Ignacio de Moxos, wo ich zuvor schon einmal mit meiner Freiwilligenorganisation hier vor Ort, der Hermandad, war. Nach noch einer weiteren schönen Woche dort, ging es dann Anfang Februar auch wieder nach Patacamaya. 

Da ist das Ding! Später konnte man noch in dem Dorf selber herumlaufen, aber vor allem der Moment in dem sich die Wolken lichteten und man von jetzt auf gleich darauf gucken konnte war atemberaubend!

Der Grund warum ich froh war, keine Wanderung gemacht zu haben  

Karneval

Das nächste große Event was dann anstand kam schon eine Woche nach meiner Rückkehr nach Patacamaya und schon bevor mein Projekt wieder geöffnet hatte, und zwar Karneval. Ich glaube allgemein ist Lateinamerika bekannt für ihre Karnevalsveranstaltungen, und wobei das wohl bekannteste und spektakulärste Fest in Rio de Janeiro stattfindet, wird das größte Fest in Bolivien in dem doch dafür recht kleinem Städtchen Oruro, welches eineinhalb Stunden von Patacamaya entfernt ist, abgehalten. In diesem Fall zu Ehren der Virgen del Socavón (Jungfrau der Bergwerksstollen). Denn obwohl man bei uns Karneval doch eher nur mit Kostümen, Feiern und guter Laune verbindet, handelt es sich hier dennoch auch (obgleich auch all diese Punkte zutreffen) um ein religiöses Fest, was man daran schnell erkennt, dass zwischen den einzelnen Tanzgruppen auch immer mal wieder Altare mit der Heiligenfigur vorbeigetragen werden. 

Da es sich wie schon angedeutet bei Oruro um eine recht kleine Stadt handelt, in dem aber das größte Karnevalsfest des Landes stattfindet, ist vor allem die Suche nach einer Unterkunft eine Herausforderung. Meine Freunde aus Patacamaya und ich wollten uns die Feierlichkeiten nicht entgehen lassen, aber als wir gesehen haben, dass sich die Preise der Unterkunft verzehnfacht haben, war es doch anfangs noch unsicher ob wir gehen könnten. Gott sei Dank ist aber ein sehr guter Freund aktuell in Oruro am Studieren und er hatte uns dann schließlich angeboten, in seinem Zimmer die Nacht zu schlafen. Mit Matratzen und Matten für den Boden ausgerüstet fuhren wir dann also am Samstag dem 10. Februar morgens mit der nötigen Verspätung nach Oruro. Die Parade selbst geht gefühlt über drei Tage ununterbrochen, wobei sich jeden Tag die Tanzgruppen wiederholen. Von daher hatten wir nur Karten für den Samstag gekauft. Nachdem wir unsere Sachen abgestellt hatten, während die Feier schon im vollen Gange war, machten wir uns auf die Suche nach unseren Sitzen. Entlang der gesamten Strecke bis hin zur Kirche (Iglesia del Socavón) sind Zuschauertribünen aufgebaut, für welche man sich Plätze reservieren kann. Ich frage mich nur bis heute wie meine Freunde wussten, wo unsere Sitzplätze waren, wenn ich allein daran denke durch wie viele Menschenmassen wir uns gequetscht haben und wie oft wir in irgendwelchen Gassen abgebogen sind, aber am Ende waren wir im richtigen Bereich und fanden auch unsere Sitznummern. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass knapp siebzehn Stunden auf Holzplanken sitzen auf mich zu kamen, da aufstehen und rausgehen so gut wie unmöglich war, aber dennoch gestaltete sich die Zeit sehr viel schöner als man dabei vielleicht erwarten könnte. Unten an der Straße liefen die ganze Zeit Verkäufer vorbei, die einen mit Snacks, Essen und Trinken versorgten. Dabei gab es alles von Schokofrüchten, Zuckerwatte, Hähnchen mit Pommes, bis hin zu Schnaps und Bier (Zur Nacht hin gab es nur noch Bier und nichts anders als Bier… mehr eine Randnotiz für mich: mir davor dann vielleicht noch das ein oder andere Wasser zu kaufen :D). Neben den Tänzen, zu denen ich gleich noch komme, gab es noch ein anderes Highlight für mich, nämlich das magische „espuma”; dabei handelt es sich eigentlich einfach nur um gut riechenden Sprühschaum aus der Dose, der wie Fäden herausgespült kommt und den man an jeder Ecke kaufen konnte. Das führte dazu, dass es konstant Schaumschlachten zwischen den Zuschauern gab, was, wenn man selber nicht in der Mitte stand, super lustig war. Ich glaube am Ende des Tages haben wir vier oder fünf Familiengrößen von diesen Sprühflaschen verbraucht, aber es war definitiv jeden Pfennig wert gewesen. 

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Foto nach einer von vielen Schlachten mit dem Sprühschaum, hier mit José-Maria, auch einem sehr guten Freund von mir (ich habe übrigens gewonnen) 

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Tanz: Morenada, hier die Männer 

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Hier ist die ganze Truppe mit der wir unterwegs waren <3 (oben: Christian, Claudia, José, Rubén, Claudia, Helen; unten: Mayra, Rimberth, ich, José-Maria, Clara)

Aber genug davon, das wahre Highlight sind natürlich die duzenden Tanz- und Musikgruppen. Und im Gegensatz zu dem Karneval in La Paz, wo es scheinbar fast nur Morenada gibt (traditioneller Tanz stammend aus dem Departamento La Paz), gab es hier eine deutlich größere Vielfalt an Tänzen. Dennoch waren die dominierenden Gruppen Morenada, Caporales und Diablada (->Ursprung aus Oruro selbst). Während der Veranstaltung habe ich daher auch von meinen Freunden viel über die Tänze erfahren; und nicht nur das, auch wie die Vorbereitungen und der Ablauf der Tänzer in Oruro ist, da zwei von meinen Freunden hier ebenfalls in eben dieser Parade getanzt haben, aber erst ganz spät abends um drei Uhr nachts, weshalb die beiden anfangs noch bei uns waren. Denn während normalerweise die Kostüme für Feiern und andere Veranstaltungen ausgeliehen werden, um jedes Jahr auch etwas Abwechslung dabei zu haben, müssen sie hier für Oruro von jedem einzelnen Tänzer gekauft werden. Dafür benutzen sie aber die gleichen Kostüme für drei Jahre hintereinander. In diesem Zusammenhang hat mir Mayra auch erklärt, warum allgemein immer so viel Morenada getanzt wird, da mir das auch schon immer auf den Paraden zu anderen Zeitpunkten aufgefallen ist. Denn Ich persönlich finde, dass das einer der am wenig spannendsten Tänze ist, da die Choreografie recht langsam und langweilig ist, wenn man es mit anderen Tänzen vergleicht. Das was mir daran gefällt sind die Kostüme, vor allem die der Frauen, da diese sehr aufwendig von Kopf bis Fuß mit Pailletten bestickt und manchmal auch kunsthaft bemalt sind. Daher sind die Kleider für Morenada auch sehr viel teurer zum Ausleihen oder Kaufen. Deswegen ist es oft ein Statussymbol, wenn man Morenada tanzt, da man somit nach außen zeigt, dass man viel Geld hat, weshalb die meisten versuchen, mit diesem Tanz aufzutreten. Ein Tanz der ähnlich glitzernd bestickte Kleidung hat ist Caporales. Der wiederum zählt aber zu einen meiner Lieblingstänze, denn dabei sind vor allem die Tanzfiguren unfassbar energiereich und mit Power. Es bringt da glaube ich nicht viel, das zu beschreiben, wen es aber interessiert kann im Internet mal nach einigen Videos suchen wo man die Tänze sieht :D. Auch Diablada ist sehr interessant. Wie der Name schon vermuten lässt geht es dabei thematisch um den Teufel. Es gibt in den Tanzgruppen unzählige Frauen und Männer mit Teufelsmasken und einen Engel, charakterisiert durch blaue Augen, ein Schwert und ein Schild und natürlich weiße Engelsflügel. Dieser tanzt dann um die Teufel herum. Auch ein sehr beliebtes Element dieses Tanzes ist der Oso (=Bär), das sind Tänzer in einem riesigen flauschigen Bärenkostüm, braun oder weiß. Jedes Mal wenn eine Gruppe von ihnen bei uns vorbei kam riefen alle immer so laut sie konnten „Oso, Oso, Oso!!!“. Und obwohl diese meistens nicht sonderlich viel machen was Choreografie angeht, ist dieser Charakter sehr schwer zu tanzen, das hat mir mal ein Freund erzählt, der selber ab und zu Diablada, und da konkreter den Bären, tanzt. Denn die Kostüme sind sehr schwer und, wie man sich vielleicht vorstellen kann, sehr warm. Vor allem wenn man dann in der prallen Sonne tanzen muss, sind schon viele dabei umgekippt. Deswegen gab es aber auch bei jeder Tanzgruppe einige die zwischen den Reihen herum gelaufen sind um den Tänzern Wasser zu geben, denn tanzen tut man für ungefähr vier bis fünf Stunden am Stück. Und die letzten Tanzgruppen des Zyklus beginnen als erstes beim Nächsten. Das bedeutete dann dass wenn man einer der letzten Gruppen ist, man dann nach nur einer recht kurzen Pause weiter tanzt. Der ganze Tag war super spaßig, sowohl die Zeit mit meinen Freunden als auch allgemein um die ganzen Tänze zu sehen. 

Tinku

Mein absoluter Favorit war dabei aber natürlich Tinku, der Tanz, den ich auch in der großen Parade im März in Patacamaya tanzen sollte. 

Nach dem Zwischenseminar, welches ich Anfang März in Santa Cruz mit den anderen Freiwilligen hatte, fingen nämlich die Proben für die Entrada des San José am 15. März an. Dabei ist es Tradition, dass der/die Freiwillige/r dabei mittanzt. Das ganze ist eine Parade, wo eigentlich ausschließlich Tinku getanzt wird, es gab vielleicht ein oder zwei Gruppen mit Morenada und noch einen weiteren Tanz. Insgesamt formen sich so jedes Jahr in Patacamaya rund zehn Bloques (=Tanzblöcke oder Tanzgruppen) von einer Personenzahl ab 20 bis teils mehr als 100. Dabei kann man sich da glaube ich mehr oder weniger aussuchen, was einem gefällt oder wo man vielleicht schon Bekannte hat die in diesem Block tanzen. Die Gruppe in der ich war, sowie auch alle anderen Freiwilligen vor mir, heißt „Tinkus Tolkas“. Das ist einer der größten, wenn nicht sogar die größte Gruppe und da drin tanzen jedes Jahr einige von meiner Freundesgruppe, wie zum Beispiel meine Mentorin Mayra. 

Es gibt insgesamt drei verschiedene „Ränge“, wenn man es so nennen kann. Es gibt die normalen Tänzer, diese bilden die größte Masse. In dem Block gibt es dann Reihen a fünf Personen, jeweils abwechselnd Männer und Frauen. Dann gibt es ganz vorne, in der Mitte und hinten eine Reihe von „Guías“ (=so wie Dirigenten). Diese bestimmen den Rhythmus und geben über Handsignale die Tanzschritte an und geben sie nach hinten weiter. Tinku so wie ich es getanzt habe besteht aus einem „paso basico“, welcher recht simpel ist und bei unserer Gruppe (variiert von Gruppe zu Gruppe) mit dem linken Bein als Marker anfängt. Dann gibt es Figuren die getanzt werden, wobei auch da jeder Block seine eigenen charakteristischen Schritte hat. In meinem Fall gab es sechs verschiedene Abfolgen die ich lernen musste: Roboto, Artesano, Conejo, Bolas, Montera und Onda. Alle dieser Figuren hatten dann ihre eigenen Handzeichen; die vorderste Reihe, welche aus „Dirigenten“ bestand, einigte sich auf einen Tanzschritt und machte das entsprechende Zeichen in die Luft, die nächsten Guias in der Mitte des Blocks sehen das dann und wiederholen das Zeichen usw, bis es bis ganz nach hinten ankommt und alle wissen welcher Tanzschritt gemacht wird. Dann gibt es zwei Ausrufe, „listoooo???“ und dann „Yaaaaaaaa!!!“ und dann wird beim Zuendeführen des Basisschritts danach die Figur ausgeführt. Dann gibt es aber noch eine dritte Gruppe an Tänzern, das sind dann quasi die alten Hasen, die „Antiguos“. Diese bilden in dem Block noch mal eine eigene Tanzgruppe und tanzen ganz vorne bzw. ganz hinten. Dabei handelt es sich immer um vier Tänzer oder vier Tänzerinnen. Diese tanzen eine spezielle und deutlich aufwändigere Choreografie, auch Mayra war dabei. Ihre Gruppe mit ihren Freundinnen heißt Killarys Del Tatu. Ihr Auftritt ist vor allem am Ende entscheidend. Denn nachdem man die Avenida entlang getanzt hat, kommt man am Ende bei der Jury an, wo zuerst eine spezielle Abfolge an Tanzschritten des großen Blocks aufgeführt wird und danach die Vierergruppen (in der Regel eine Frauen- und eine Männergruppe) ihre Figuren vorführen. 

Tanz: Tinkuuuuuuuuuu (auch eine Gruppe aus Oruro während Karneval)

Foto während einer Pause mit den “Antiguos“ der Männer und Frauen. Der Mann ganz rechts heißt Tatu und ist schon seid mehr als zwanzig Jahren in der Gruppe dabei!

Damit das alles mehr oder weniger reibungslos an der Entrada abläuft, fangen einige Wochen bis zwei Monate vorher die Proben an. Wenn man bei einem Block mittanzen möchte, geht man dann einfach zu diesen Proben, die meistens ein bis zweimal in der Woche abends stattfinden, und fragt nach. Geprobt wird in zwei Gruppen, aufgeteilt in Männer und Frauen, da die jeweiligen Schritte zwar sehr ähnlich und aufeinander abgestimmt sind, es aber dennoch kleine Unterschiede gibt. Was mir am Anfang sehr schwer viel, ist, dass einem normalerweise keiner einzeln die Schritte langsam und im Takt erklärt, sondern dass man sich einfach in den großen Block hineinstellt und versucht, irgendwie mitzukommen, bis man die Tanzschritte versteht. Was man machen kann, ist, dass man sich einen sucht, der schon seit ein paar Jahren dabei ist, die Schritte somit selber schon kann und es somit einen erklären kann. Mayra fiel dabei raus, da sie andere Figuren tanzt. Aber ich hab nach ein paar Proben zwei der Mädchen gefunden, die mir abwechselnd die Schritte erklärt haben. Dafür bin ich auch sehr dankbar, da ich das alles ohne ihre Hilfe wahrscheinlich nicht hinbekommen hätte. Sie haben die einzelnen Elemente für mich herunter gebrochen und mir gesagt, wie ich im Kopf mitzählen muss. Und am Anfang ging davon mehr oder weniger gar nichts in meinen Kopf rein, da ich nie getanzt hab und es mir daher sehr schwer viel, mir Choreografien zu behalten. Ich glaube bis eine Woche vor dem großen Tag hatte ich mehrfach in der Woche den Drang, das Handtuch zu schmeißen, weil es mir unmöglich erschien, alle Tanzabfolgen zu lernen (schonmal kleiner Spoiler: am Ende hat es dann wider aller Erwartung Klick gemacht und ich war sehr froh, dass ich es doch durchgezogen habe). Was neben den Tanzproben auch noch anstand, war, die ganzen benötigten Kleidungsstücke usw. zu besorgen. Die Entrada zog sich über zwei Tage. Am ersten Tag wurde abends in den traditionellen Kleidern getanzt und am zweiten Tag vormittags in Jeans und dem Trikot der Tanzgruppe. Das Kostüm für den ersten Tag bestand aus vielen einzelnen Elementen, einige wurden ausgeliehen, andere wiederum musste man kaufen (somit konnte ich sie aber auch als Andenken behalten :D). Ausgeliehen wurde, bei den Frauen, das Kleid (vestido), eine Art Weste (rebozo), ein Gürtel mit herunterhängenden Elementen (faja; außerdem mein Lieblings Kleidungsstück), die sich wunderschön beim Tanzen mit einem drehen, und dem Hut (sombrero). Kaufen musste man eine Art Band, welches man zusätzlich an dem Gürtel befestigt und wo der Name der Gruppe draufgestickt wurde (lazo), die Schuhe, bei denen es sich um Sandalen hergestellt aus Autoreifen handelt (abarcas de goma), und die Onda, dabei handelt es sich um eine Art Wedel, welches man beim Tanzen in der rechten Hand hält. Freiwillig konnte man sich dann noch dazu passende Ohrringe kaufen (ich habe mir drei Paar gekauft…) und Bänder mit Glöckchen dran, welche man sich dann noch um den Oberarm binden konnte und welche beim drehen dann noch gerasselt haben (brazeras). Am zweiten Tag trug man dann statt Kleid das langärmelige Trikot, welches man sich ebenfalls kaufen musste, und eine blaue Jeans. Dazu den Gürtel (faja) vom Vortag mit dem Band, den gleichen Sandalen und als zusätzliches Element noch Stulpen. Ein weiterer Kostenfaktor ist dann auch noch Haare und Make-Up, was wir uns für den ersten Tag professionell haben machen lassen. Die Haare werden in zwei Zöpfen geflochten, meistens noch mit Extensions (welche in meiner Haarfarbe zu finden war dabei noch mal ein Akt für sich) und mit Bändern in der Farbe der Tanzgruppe, in meinem Fall schwarz, orange und weiß, verziert. 

Hier die einzelnen Elemente der Kleidung des ersten Tages mit dem Kleid, der Weste, dem Gürtel, dem hut und dem “lazo“ (Band mit Logo der Gruppe) 

Auch die Schuhe werden in diesen Farben verziert, indem man, am besten panisch in der Nacht vor dem Tanzauftritt oder präferiert noch am gleichen Tag der Entrada, die Bänder mit Wolle umwickelt. Das Make-Up war auch super aufwändig und sehr stark, aber das haben wir wegen dem Preis nur an einem Tag machen lassen. Insgesamt bezahlt man somit wenn man bei dieser Entrada tanzen will für die Eintrittsgebür, die Kosten der Dinge die man sich selber anschaffen muss, die Leihgebühr und das ganze drum und dran mit Make-Up etc. ungefähr 500-600 Bolivianos. Das kann dann somit auch, wie ich schon bei dem anderen Tanz Morenada erklärt habe, als eine Art Statussymbol gesehen werden, weil es sich nicht jeder leisten kann. Trotzdem tanzt jedes Jahr eine große Anzahl an Personen aus Patacamaya bei dieser Entrada mit. 

Panisch noch die Wolle (in meinem Projekt) um die Schuhe wickeln ist Tradition 

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Zweiter Tag der Entrada mit Jeans und Trikots; Auch gut zu sehen sind die Zöpfe der Frauen

In der letzten Woche vor den großen Auftritten gab es dann jeden Tag Training und dabei hatte ich dann auch endlich das Gefühl, dass ich die Schritte konnte und somit auch mit allen mithalten konnte. Denn das war das Einzige was ich wollte, ich würde da nämlich schon stark genug auffallen, da ich die einzige „Gringa“ (=eigentlich Bezeichnung für Personen aus den USA, in der Regel wertfrei verwendet) bin die da mittanzt, wobei die Tatsache, dass ich gefühlt mehr als einen Kopf größer bin als alle andere auch nicht sonderlich hilft, mich einzublenden. Ich wollte aber nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen, in dem ich während einer Figur wie ein verwirrtes Kind aussehe, was seine Mama sucht und nicht checkt, was gerade um sie passiert. Und ohne diese Selbstzweifel hat dann auch plötzlich das Training zehnmal mehr Spaß gemacht. Auch habe ich es sehr genossen, Mayra und den anderen drei Mädels beim Trainieren ihrer Choreo zuzugucken. Denn das was sie tanzen ist noch mal auf einem ganz anderen Level und ich finde das sieht so unfassbar cool und beeindruckend aus, weshalb ich auch davon glaube ich mehr Videos auf meinem Handy habe wie von den Tanzproben des großen Blocks. Einige Tage vor der Entrada gab es zu meiner Überraschung eine Einweihungsfeier, oder vielmehr ein Ritual, für alle neuen, die dieses Jahr dazugekommen sind. Dieser Tag bestand aus einigen Prüfungen, wie zum Beispiel sehr scharfe oder ekelhafte Dinge essen, Mehl übergeschüttet bekommen und sonstiges. Zwischen all diesen Etappen musste man dann jeweils einen Tanzschritt in einer kleinen Gruppe aufführen. Großes Finale war dann eine „Verschönerung“ mit Lippenstiften, Mascara und Eyeliner, wonach man dann einen Hühnerkopf als Mutprobe Küssen musste. Ich war danach auf jeden Fall ein anderer Mensch, soviel steht fest, aber ich gehörte auch nun offiziell zu den Tinkus Tolkas :D.

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Gruppenfoto nach dem Aufnahme-Ritual mit der stolz verdienten Urkunde 

Kommen wir aber jetzt zum großen Tag. Am Abend davor holte jeder seine ausgeliehenen Kleider ab. Dort wurde auch endlich die Farbe bekanntgegeben, die immer bis zu diesem Moment geheimgehalten wird. Dieses Jahr war es Pink und Schwarz. 

Der offizielle Beginn der Entrada war glaube ich um zwölf Uhr, weshalb ich recht früh aufstand, da ich noch, wie es sich gehört, die Sandalen mit der Wolle umwickeln musste (was übrigens nicht, wie mir gesagt wurde, nur maximal eine halbe stunde dauert, sondern eher drei Stunden!). Und um schon mal die Spannung herauszunehmen, liebe Leserinnen und Leser, am Ende fing die Entrada letztendlich um vier Uhr nachmittags an, ich kann also mittlerweile wirklich sagen, dass ich teils das Klischee der Unpünktlichkeit mehr als bestätigen kann, wobei die „Hora Boliviana“ für alle Leute hier auch nicht unbekannt ist und eher schon einfach mit berücksichtigt wird. Da ich das zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wusste, rannte ich schnell zu meinem Make-Up- und Flechttermin, wo ich fast drei Stunden verbrachte. Dort bekam ich ein wirklich sehr schönes Make-Up passend zu meinen Farben der Kleidung verpasst. Danach ging es um ungefähr drei Uhr, ich dachte schon ich hätte die halbe Entrada verpasst weil ich zu spät war, noch einmal zum Comedor, da mir dort die Köchinnen halfen, die ganzen Kleidungsstücke anzuziehen. Und wow, das Kleid mit dem Gürtel und allem drum und dran war so unfassbar schön und ich habe mich darin dann auch richtig wohl gefühlt. Vor den Schuhen hatte ich ein wenig Angst, weil es einfach nur eine Schicht Gummi von Autoreifen war, aber im Endeffekt hatte ich über die zwei Tage so gut wie keine Blasen bekommen. Mit dem Taxi ging es dann zum Startpunkt, wo auch noch, wenig überraschend, um halb vier alle versammelt waren. Dort suchte ich dann meine Tanzgruppe, was recht leicht ging da jede gut an ihrer Farbe auseinander zu halten war. Wir machten noch ein paar Fotos zusammen und dann ging jeder auf seine Position. Alle zwei bis drei Tanzblöcke gab es eine Band, die die Musik spielen würde, zu der wir tanzen werden. Und dann ging es auch schon los. Insgesamt tanzten wir für drei bis vier Stunden, was sich vielleicht erst einmal viel anhört, aber diese vier Stunden bestanden aus zwanzig Minuten tanzen, dreißig Minuten Pause und dann wieder zwanzig Minuten tanzen. In den Pausen standen wir dann alle kreuz und quer, haben geredet und gemeinsam Bier getrunken und die Stimmung war super ausgelassen. 

Jedoch hat es fast die gesamte erste Stunde in Strömen geregnet und gehagelt. Die meiste Zeit haben wir weiter getanzt, aber manchmal mussten wir auch in die Geschäfte flüchten. Aber diese Stunde Regen wurde dann im Nachhinein von zwei riesigen Regenbögen am Himmel belohnt, was dann doch wieder super schön war. Zum Ende des Abends kamen wir dann bei der Jury an und führten unsere einstudierte Choreo auf, gefolgt von einem Arm-in-Arm im Kreis laufen und das Lied unseres Bloques singen. während die meisten dann einzelne den Tanzbereich verließen und jeder von uns Essen und ein Bier auf die Hand bekam, führten die Antiguos noch ihre Choreografie auf. Danach fanden wir uns alle vor der Kirche wieder, tranken und aßen gemeinsam und ließen den Abend ausklingen. Viel gefeiert wurde nicht, das kam dann alles an Tag zwei, wobei ich gehört hatte dass die sportlichen von meiner Gruppe noch die Nacht in einer Disko durchmachten, dafür war ich dann aber am Ende zu k.o von allem. Nach einem sehr tiefen Schlaf ging es dann am nächsten Tag laut Plan um zehn Uhr weiter mit der zweiten Runde. Also, aus meinen Fehlern gelernt, kam ich dann um halb zwölf als einer der ersten am Treffpunkt an und um schätzungsweise zwölf Uhr ging es dann richtig los. Ich fand es schon etwas schade, dass wir die traditionellen Kleider nur an dem einen Tag tragen konnten und nicht an beiden, aber im Endeffekt war es deutlich einfacher in Jeans und Pullover und ohne den großen Hut zu tanzen. Am zweiten Tag haben wir sehr viel weniger Pausen gemacht, weshalb ich bei der Jury angekommen schon gut außer Atmen war, aber auch diesen Tag haben wir alle gut gemeistert (ob es am Ende eine Preisverleihung gab und wie sie ausgegangen ist, habe ich gar nicht mitbekommen… von daher kann ich jetzt nicht beurteilen, wie gut wir auf die außenstehenden gewirkt haben, aber es kann nur gut gewesen sein ;D). Auch nach dieser Runde haben wir uns in der Nähe von der Plaza versammelt um gemeinsam etwas zu essen. Für den heutigen Tag wurden auf der Plaza Avaroa zwei große Tribünen aufgebaut, auf der ab dem Nachmittag Bands auftreten sollten. Nachdem wir zuerst noch ein wenig beisammen saßen und bekannt gegeben wurde, wer aus dem Team der Sponsor für das nächste Jahr werden würde, begleitet mit einer ordentlichen Bierdusche, ging ich dann noch einmal kurz auf mein Zimmer um mich frisch zu machen. 

Wieder auf der Plaza angekommen, war das ganze Ambiente wie verändert und ähnelte vielmehr der Stimmung auf einem Festival. Dort wurde dann den ganzen Abend gefeiert. Generell bewundere ich hier die Feierkultur in Bolivien die deutlich größer ist als in Deutschland. Alleine wenn ich mir angucke, wie viele Feste die Schule bei mir in der Nähe veranstaltet, zu denen ich auch manchmal eingeladen werde. Zum Beispiel gab es zu Muttertag und Vatertag große Feiern, dann am Tag des Lehrers, und vieles mehr. Es gibt beispielsweise auch eine Feier die heißt „Toma Del Nombre“, (=Nehmen des Namens (?)). Den Sinn dieser Feier in den Schulen habe ich bis heute nicht ganz verstanden. Es ist prinzipiell eine vorgeschobene Abschlussfeier der Promotionsklasse. Denn mir wurde erklärt, dass an der eigentlichen Promotionsfeier im Dezember die Abschlussschüler nur das Zeugnis entgegen nehmen und danach mit ihrer Familie zu Hause feiern, nicht wie bei uns, wo es danach große Feierlichkeiten gibt und in der Regel die Schüler noch unter sich feiern. für den letzten Aspekt ist dann diese andere Veranstaltung. Die Namen der Promotionsschüler werden in einer Zeremonie vorgelesen und danach wird zusammen gefeiert, wobei es abends dann noch für die Schüler eine Art Jugenddisko gab. Warum es ein halbes Jahr vor dem Abschluss ist habe ich immer noch nicht verstanden aber eine Erklärung die ich dazu auch ein mal bekommen habe war, dass es die Bolivianer eben lieben zu feiern. Und ich glaube, dass das auch ein Zitat ist, was man so stehen lassen kann. Anderes Beispiel (ich glaube dann versteht man es auch) ist, dass es im August eine sehr große Feier zum Jahrestag der Stadt gibt, welche für sich schon eine Woche geht. Aber letztens gab es eine ähnliche Feier, im April, wo mir gesagt wurde, dass das eine Art Vorbereitung zur Feier im August sei… ich lass das jetzt auch einfach mal so stehen :D. Ich glaube dass sogar die Bier-Trink-Kultur hier genau so groß oder fast größer ist als in Deutschland. Das funktioniert bei so Feiern wie bei der Entrada meistens so, dass innerhalb der Gruppe ein Bierkasten gekauft wird, alle stehen dann tanzend im Kreis mit dem Bierkasten in der Mitte und es wird reihum ausgeschenkt. Das geht dann die ganze Nacht so, wobei es dann abends auch sehr hässlich werden kann, da sehr viele Leute sehr gut dabei sind; was dann auch eine gute Zeit ist sich zu verabschieden. 

Wenn es regnet, suche nach Regenbögen“

Inmitten der Massen auf einem der Konzerte direkt nach der Entrada mit Christian und Claudia <3 

Besuch aus Deutschland

Auch kam mich mein Vater Anfang April für knapp drei Wochen besuchen. Anfangs habe ich viel überlegt, ob ich das wirklich möchte, da ich die Angst hatte, der Abschied danach würde mir sehr schwer fallen. Aber je näher der Besuch rückte, desto mehr freute ich mich; Vor allem weil ich so die Chance bekam, meiner Familie zu zeigen, was ich hier so alles in dieser Zeit aufgestellt habe und wie ich innerhalb der Monate gelernt habe, mich in Bolivien zurecht zu finden. Zuerst haben wir einige Sachen in Santa Cruz und Cochabamba unternommen, um dann daraufhin zu mir nach Hause nach Patacamaya zu kommen. Und auch hier habe ich wieder gemerkt, dass die ganzen touristischen Touren eher weniger etwas für mich sind, da sich das alles oft wie ein Fließband anfühlt, wo ein Tourist nach dem anderen “abgearbeitet” und durch verschiedene Ortschaften geführt wird. Natürlich sind die Erfahrungen meist dennoch atemberaubend und an einige Orte kommt man auch gar nicht ohne Guide hin, aber ich komme nicht umher festzustellen, dass ich dennoch die paar Tage in meiner Kleinstadt mehr genossen habe als einige der touristischen Aktivitäten. Beispielsweise hatte meine Chefin angeboten, mit uns in ein benachbartes Dorf und danach in ein etwas weiter entferntes Dorf nahe der Sajama (höchster Berg Boliviens), mit einer bekannten Kirche, zu fahren. So machten wir uns mit ihr und einem Priester auf den Weg. In dem nahegelegenen Ort besichtigten wir einen Bauernhof mit sehr vielen großen Gewächshäusern und einer Vielzahl an Tieren (u.a. sehr süßen Baby-Alpakas), während uns eine Frau von dort die ganzen Prozesse der landwirtschaftlichen Produktion erklärte. Nach der Führung wurden wir dann von ihnen noch zum Essen eingeladen, wo wir Rosentee mit frischen Rosen und Pfefferminze aus dem Garten tranken. Zum Essen gab es etwas, was bisher das einzige war, mit dem ich hier so wirklich meine Schwierigkeiten habe, nämlich Meerschweinchen. Sowohl geschmacklich als auch ästhetisch ist dieses Gericht für mich schwer zu verdauen, da dieses Tier bei uns in den Köpfen eigentlich ausschließlich als Haustier aufgefasst wird. Dennoch handelt es sich dabei hier um eine kulinarische Spezialität, ich glaube, vor allem im Altiplano (also im Hochland) und dort eher in den dörflichen Gebieten. Für mich ist es allerdings nichts, zu der Erkenntnis kam ich schon mal. So oder so war es aber alles eine super herzliche Erfahrung, diese Tour von der Besitzerin zu bekommen und dann noch von spontan von ihr bekocht zu werden. 

Damit hört es auch nicht mit der Offenheit, mit der mein Vater empfangen wurde, auf. Das Dorf nahe der Sajama war super schön und vor allem die Kirche sehr beeindruckend und auch da haben wir von einem der dort für die Kirche arbeitet eine kleine Tour bekommen, da auch meine Chefin diese Kirche noch nicht kannte. Eines meiner Highlights war allerdings die Willkommensfeier, die mein Projekt (ohne mein Wissen) für meinen Vater vorbereitet hatte. Es wurden Ballons aufgehängt, ein Schriftzug gebastelt und die Kinder haben zwei traditionelle Tänze aufgeführt. Abgerundet mit einem Gruppenfoto hat mein Vater dann noch Süßigkeiten aus Deutschland an die Kinder verteilt und durfte einige Worte an die große Gruppe richten, die ich dann unvorbereitet übersetzen durfte (mein Spanisch hatte für diesen Zeitpunkt scheinbar meine Seele verlassen). Das alles wurde für die Nachwelt mit einem zusammengeschnittenen Video auf Facebook festgehalten, ganz nach bolivianischer Art ohne zu fragen ob man damit einverstanden ist :D, aber vor allem die Geste war sehr süß und herzlich. 

Den letzten Termin in Patacamaya hatten wir mit dem Bischof, ein Abendessen am letzten Abend. Und auch dieser war super schön und entspannt und mit meiner Übersetzung konnten sich der Bischof und mein Vater über vieles austauschen. Nachdem wir ihm als Dankeschön etwas Schokolade und Kaffee aus Deutschland überreicht hatten, ist er schnell aufgesprungen, um auch noch ein Andenken für meinen Vater zu besorgen, und zwar einen traditionellen Poncho und eine Mütze. Und ich finde dass da den Sachen, die man theoretisch auch in jeder Touristenstraße kaufen könnte, noch mal einen ganz neuen Wert vermittelt wird. Denn diese Ponchos in einem speziellen Bordeauxrot sind welche, die von den Männern zu den Feierlichkeiten hier getragen werden können. Die meisten anderen, die man als Tourist häufig kaufen kann, sind eher neuere Interpretationen speziell als Andenken für Besucher; Dabei handelt es sich aber selten um etwas, was die Personen hier tragen (wobei auch die hier prinzipiell von Leuten getragen werden, aber eher selten, so wie ich es wahrnehme). Denn so ist es nicht etwas, was man sich nur als Andenken Kauft sondern was man wirklich mit den Leuten hier und den eigenen Erlebnissen verbinden kann. Nach diesem sehr netten Abend ging es dann aber für uns auch schon weiter nach La Paz, wo wir zum einen ein wenig Sightseeing machen wollten, aber zum anderen auch hier eine Einladung zum Mittagessen mit dem Erzbischof von La Paz hatten. Bei ihm gab es dann natürlich erst einmal einen Whiskey und danach ein drei Gänge Menü, gekocht von seiner (ich glaube so ähnlich wie) Assistentin, Doña Hilda, eine sehr liebenswerte Frau mit der ich mich ungemein gut verstehe. Aber nach der Zeit in La Paz hieß es dann auch schon Abschied nehmen… So lange sollte es dann aber bis zum erneuten Wiedersehen nicht mehr sein <3

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Vor der Kirche nahe der Sajama mir Hermana Elvira, Padre Vicente, Hermana Clementina und meinem Papa

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Die Willkommensfeier, die die Kinder und Nonnen für meinen Vater organisiert hatten, samt Tänzen, Musik und leckerem Essen 

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Der Bischof mit meinem Vater samt Poncho und Mütze  (Das ist auch tatsächlich einer meiner Lieblingsfotos aus meinem Jahr) 

Mein Projekt

Ich glaube jetzt habe ich ganz schön viel über Herumgereise und Veranstaltungen geredet, dennoch ist weiterhin ein großer Teil in meinem Leben hier die Arbeit in meinem Projekt, von daher will ich nicht, dass das hier noch vom Tisch fällt. 

Ich konnte mich vor allem in den letzten Monaten sehr gut einleben und „meinen Platz finden“. Mittlerweile habe ich feste Aufgabenbereiche für die ich in der Regel verantwortlich bin, wie zum Beispiel das vorbereiten des ganzen Gemüses für die Suppe, und oft kommen einige von den Kindern extra früher, damit wir noch vor dem Essen etwas zusammen machen können. Zwar ist es unmöglich, eine stärkere Bindung zu allen aufzubauen, vor allem bei den älteren, aber vor allem mit den Kleinen verbringe ich ab dem Vormittag viel Zeit. Was sich sehr stark zu meiner Freude etabliert hat, ist Schach spielen. Hier lernen in den Schulen eigentlich alle Kinder die Regeln des Schachs und viele von ihnen können auch darüber hinaus sehr gut spielen. In meinem Projekt gibt es vor allem einen Jungen namens Lukas, 10 Jahre, der mich ganz schön ins schwitzen bringen kann. Auch das Memorie, welches mein Vater für das Comedor mitgebracht hat, wird seither eigentlich jeden Tag genutzt. Allgemein ist die Zeit in der ich mit den Kindern spiele auch meine liebste Zeit. Auch da lerne ich immer noch am ehesten neue Wörter, da sie mir immer sehr geduldig die Sachen erklären, die ich nicht verstehe. 

Anime-Figuren sind das wohl beliebteste Mal-Motiv bei dem Kindern 

Schachspiel mit Lukas, während uns sein kleiner Bruder Deyson zuguckt 

In den letzten Wochen wurde das Projekt innen neu gestrichen und während der Winterferien wollen wir alles aussortieren und neu organisieren/ dekorieren, da bin ich auch gespannt, was dabei heraus kommt. Ein Grund warum das jetzt gemacht wurde, ist, dass ich in nächster Zeit als eine Art Dankeschön und Andenken ein Wandgemälde an einer der Wände gestalten möchte. Dafür habe ich schon über mehrere Monate hinweg einige Entwürfe angefertigt und viel mit dem Bischof und meiner Chefin geredet. Nun geht es damit also endlich bald los, die Farben sind gekauft und die Wand ist vorbereitet. Wie das ganze dann verläuft und wie das Endresultat aussieht, davon werde ich dann in meinem nächsten Rundbiref berichten :D. 

Eine weitere Änderung war nach meinem ersten Rundbrief, dass von März bis Juni zwei weitere Freiwillige in meinem Projekt gearbeitet haben. Beide kamen aus dem Departamento („Bundesland“) Santa Cruz, also waren selber aus Bolivien. Bei dem Ganzen handelt es sich um ein neues Program, was auch nationale Freiwilligendienste für Bolivianer innerhalb Boliviens ermöglicht. Ich finde das eine sehr gute Sache, da, wie schon angedeutet, Bolivien sehr vielfältig ist und es vor allem zwischen dem Hochland und dem Tiefland („oriente y occidente“) sehr viele (kulturelle) Unterschiede gibt. So kann auch hier innerhalb des Landes dadurch denke ich ein besserer Austausch hergestellt werden. Zudem hat es dazu geführt, dass ich zwei neue Freunde von der anderen Ecke Boliviens gefunden hatte. Die Arbeit in meinem Projekt war dadurch noch einmal entspannter und es gab einen größeren Austausch zwischen uns allen. Manchmal haben die beiden auch Cuñapes gemacht, wobei es sich um mein Lieblingsgebäck aus Bolivien handelt. Es ist eine Art Brot aus Yuca-Mehl und Käse und es wird entweder frittiert, gebacken oder getrocknet gegessen. Bis ich wieder in Deutschland bin will ich unbedingt lernen, wie man es macht. Auch haben wir mit den anderen beiden freiwilligen viel mit den Priestern unternommen, da sie genau so wenig wie ich die Sehenswürdigkeiten und Orte kennen (ich vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als sie). So kam es dass wir einen Ausflug zum Titicaca-See machten, wo wir von einem kleinen Ort aus eine Bootstour erleben durften; und danach noch zu einer bekannten Ruine in der Nähe des Sees fuhren, nämlich Tiwanaku. Dabei handelt es sich um eine präkolumbische Ruinenstätte und zählt sogar zu den UNESCO-Welterben.

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Mit einem Boot auf dem Titicaca-See, zusammen mit Mayra, Hmna Clementina und den beiden Freiwilligen Ruddi und Lilliana, kurz vor ihrer Rückreise nach Santa Cruz 

Einige letzte Worte

Ich hatte vor rund ein zwei Monaten das erste mal richtig das Gefühl, hier angekommen zu sein. Das sind dann so Momente, wo man gerade alleine in einem Minibus nach La Paz sitzt oder sich durch den Donnerstag-Markt auf der Plaza schlängelt. Natürlich ist Sprache immer noch eine Hürde und ich weiß nicht immer was zu machen ist oder wie ich mich zu verhalten habe, aber trotzdem empfinde ich momentan so ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauten, wie ich es sonst nur aus meiner Heimat kannte. Mit einer der schönsten Momente in der letzten Zeit war, wie ich einen Priester in seinem Dorf besuchte und wir abends zusammensaßen, Coca gekaut und ein Bier getrunken haben und über Gott und die Welt redeten. Wir beide mit einer Wärmflasche und Mütze, da es dort unfassbar kalt war :D. An dem Abend redeten wir auch über Freiwilligendienste und er sagte mir, wie toll er so etwas findet, da man so Kultur wirklich erlebet, sodass sie auch Teil von einem selber wird. Dass man irgendwann wirklich den Punkt erreicht, dass man hier lebt und dass dieses Leben, so anders es auch sein mag, immer Teil von einem sein wird. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sich das angefühlt hat, aber für mich hat diese Situation alles an Gründen zusammen gefasst, warum ich so einen Freiwilligendienst machen wollte. Einfach abends mit dem Padre zusammen zu sitzen, uns auszutauschen und über das Leben zu philosophieren. Ich hatte in diesem Moment so ein großes Gefühl von Dankbarkeit in mir, ich glaube, so simpel und banal der Abend war, werde ich ihn nicht mehr vergessen. 

Das einzige, was ich bedauere, ist, dass ich zwar jetzt das Gefühl habe, hier angekommen zu sein, aber dann auch wieder bald nach Deutschland zurückkehre. Ich finde es dabei verrückt wir lang und kurz zugleich ein ganzes Jahr sein kann. Ich freue mich auch schon sehr auf Deutschland, jedoch will ich aus meiner Zeit hier dafür noch so viel mitnehmen wie nur möglich. 

Somit erwartet euch im nächsten Rundbrief eine hoffentlich erfolgreiche Geschichte über mein Malprojekt, ein paar kleine Anekdoten zu bolivianischen Hochzeiten, da ich im August wahrscheinlich meine zweite besuchen werde und auch darüber noch etwas erzählen will. 

Was ich mir auch noch aufsparen wollte, war es, konkreter auf die Unterschieden zwischen Hochland und Tiefland einzugehen. Denn obwohl ich im Hochland lebe, habe ich durch andere Freiwillige viel Kontakt mir Personen aus dem Tiefland gehabt. Dabei fand ich es schon immer sehr interessant, welche Meinungen die Leute voneinander haben. Durch mein ganzes Herumreisen konnte ich ebenfalls einige der kulturellen Unterschiede wahrnehmen, was auch eine ganz spannende Sache ist. 

Generell kommt in absehbarer Zukunft auch schon die Phase des Abschieds auf mich zu, die ich aber noch gekonnt versuche zu verdrängen. Aber von all dem dann mehr im nächsten Rundbrief :D.

Bis dahin…

Noch einmal ein großes Dankeschön an alle die mich in der Zeit hier unterstützen und ich hoffe ihr könnt aus meinem ganzen Gelaber auch etwas von dem was ich hier erlebe mitnehmen <3 

Falls ihr irgendwelche Anmerkungen oder Fragen habt, könnt ihr mich gerne kontaktieren!!! Ich weiß nicht ob ich auf alles eine Antwort haben werde, aber ich geb mein Bestes 

Liebe Grüße aus dem immer kälter werdenden Patacamaya, 

Euer Honda 

Card image

Einer meiner schönsten Momente: Zusammen mit meinen besten Freunden (ganz oben rechts noch Chimpa, der war sonst noch auf keinem Foto hier zu sehen :D) bei einem Konzert in La Paz von der Band „Kala Marka“. Wir haben zusammen gesungen, getanzt und gelacht und am Ende noch ein typisches Straßengericht namens Anticucho (Gegrilltes Rinderherz) gegessen, was man nur nachts kaufen kann. Ich bin so dankbar, dass ich diese Personen kennenlernen durfte, sie sind hier inzwischen meine zweite Familie geworden <3

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