Liebe Familie, Freund*innen und Unterstützer*innen
schon lange ist es her, dass ihr nichts Neues mehr von mir hier aus Pedro II gehört habt. Das ändern wir jetzt, denn ich darf euch stolz meinen zweiten Rundbrief präsentieren.
In meinen letzten drei Monaten ist viel passiert und ich habe viele neue Dinge miterleben und Menschen kennen lernen dürfen.
Zuerst einmal zur Agricultura Familiar, die ich im letzten Rundbrief schon kurz angesprochen hatte. Dieser Sektor des „Centro de Formação Mandacaru“ unterstützt Kleinbauer, indem sie zum Beispiel beim Bau von „quintals produtivos“, also produktiven Gärten helfen. In diesen bauen die Familien dann Lebensmittel zur Selbstversorgung, aber auch für den Verkauf an. Dazu gehören unter anderem „hortas sombreadas“, beschattete Gartenfelder/-beete mit integriertem Bewässerungssystem. Mandacaru unterstützt zudem bei aufkommenden Fragen zum Anbau verschiedener Pflanzen oder bei der Erhaltung der Anlagen.
Im November hatte ich die Möglichkeit zusammen mit einem Mitarbeiter von Mandacaru und zwei Schülern der Ecoescola „Thomas à Kempis“ beim Bau eines solchen Beschattungssystems mitarbeiten zu können und den Prozess, der sich über zwei Tage erstreckte, zu begleiten. Die Schüler*innen der Schule erhalten übrigens regelmäßig die Chance an diesen außerschulischen Projekten teilzunehmen.
Während unseres Aufenthalts schliefen wir auch eine Nacht im Haus der Familie, bzw. auf der Veranda in Hängematten und aßen und tranken miteinander. Dabei fiel mir wieder auf, wie selbstverständlich ich aufgenommen wurde, ohne irgendwelche Hindernisse oder Vorbehalte
Nach den Tagen Arbeit in der prallen Sonne war ich wirklich gut platt und habe mir trotz Sonnenschutz einen heftigen Sonnenbrand eingefangen. Die Arbeit hat mir aber großen Spaß gemacht, auch wenn sie teilweise wirklich gut anstrengend war.
Beim Anbringen des Gewebes, dass Schatten spendet (Sombrite); teilweise etwas kniffelig
Fertiggestellte „horta sombreada“
Fertige „horta sombreada“; darunter wird die Familie in den nächsten Monate Gartenbeete anlegen und
eigenes Gemüse zum Verkauf anpflanzen
Außerdem war ich in den letzten Monaten immer mal wieder mit der Bibelschule (Escola Biblica, CEBI) unterwegs wenn Veranstaltungen anstanden. Mit ihnen bin ich zu Treffen in Gemeinden etwas außerhalb von Pedro II gefahren um dort Bibelarbeit, angelehnt an aktuelle, die Gemeinde betreffenden Themen, zu begleiten bzw. daran teilzunehmen. Ich habe das Gefühl, dass ich hierdurch Ecken gesehen und Leute kennen gelernt habe, die ich sonst weder gesehen noch getroffen hätte.
Versammlung der Koordinationen der einzelnen Bibelschulen / CEBI
In der Ökoschule „Thomas à Kempis“, in der ich weiterhin nachmittags oder während der Vorbereitungen der Feste ganztägig bin, fand in der letzten Zeit einiges statt.
So zum Beispiel der Geburtstag von Mandacaru, den die Mitarbeiter*innen zusammen mit den Schüler*innen feierten. Es versammelten sich alle, Reden wurden vorgetragen und zum Schluss wurde noch gemeinsam gesungen. Zur Feier des Tages wurden sogar bereits einen Tag vorher zwei der hauseigenen Schweine geschlachtet.
Auch war ich zum ersten Mal mit bei den Bienen der Schule, die in einer anderen
Gemeinde des Landkreises Pedro II stehen. Mit dabei war das zweite Schuljahr der Oberstufe, denn die Versorgung der Bienen und das Wissen um die Honigproduktion sind Teil des Lehrplans des Fachs Agroecologia an der Schule hier.
Wir haben zwar keine Honigwaben mitgeholt, weil es noch keine Saison war, jedoch haben wir die Kästen kontrolliert und die Völker begutachtet. Zurzeit hat die Schule knapp 11 Völker, es gab aber auch schon Zeiten in denen hier 20 Völker betreut wurden. Es war tatsächlich, glaube ich zumindest, mein erstes Mal so nahe bei Bienen und es war auf jeden Fall sehr spannend.
Schüler*innen der 2. Klasse, Raimundo, Hannah und ich bei den Bienen
Schüler*innen der 2. Klasse, Raimundo, Hannah und ich bei den Bienen
Außerdem stand der Abschluss des Schuljahres an. Der Unterricht hier in Brasilien endet im Dezember und fängt erst wieder Anfang bis Mitte Februar an. Ferien für die Schüler*innen, mehr Arbeit für uns.
Das heißt aber auch es wurden mehrere Feiern zum Ende des Jahres veranstaltet, unter anderem die Abschlussfeier des 3. Jahres der Oberstufe, zu der wir eingeladen waren. Quasi der Abiturball der Schülerinnen hier. Das war schon emotional, weil das 3. Jahr mir in der kurzen Zeit schon sehr ans Herz gewachsen ist. Nach der offiziellen Zeremonie, in der wir als Ehrengäste unter anderem auch die Zeugnisse ausgegeben haben, wurde noch gut gegessen und gefeiert.
Mitglieder von Mandacaru, Lehrer, Hannah und ich beim Abschluss der 3. Klasse der Oberstufe
Die Schüler*innen hatten danach zwar Ferien, für uns hieß das aber, dass es viel rund um die Schule zu tun gab. Ich half in dieser Ferienzeit, die bis Anfang Februar andauerte, viel bei der Versorgung des Schweins, der Hühner und den Ziegen mit, fuhr mit zu den Bienen oder half bei Ausbesserungsarbeiten an der Schule mit. Man muss aber schon sagen, dass es etwas entspannter und vor allem ruhiger ablief als sonst, da einfach keine 170 Menschen um mich herum waren.
Der Jahresabschluss wurde natürlich auch im Kindergarten „Asa Branca“, in dem ich vor den Ferien noch halbtags mitarbeitete, gebührend gefeiert. Unter anderem gab es ein Fest für alle Kinder inklusive ihrer Familien in einer Halle der Stadt, bei der die Kinder, passend zur weihnachtlichen Zeit, Krippenspiele und Lieder aufführten.
Auch die Kinder der Pre II, also die Vorschulkinder des Kindergartens, wurden mit einem separaten Fest verabschiedet. In einer dieser Gruppen war ich die letzten Monate standardmäßig dabei, weswegen ich auch hier etwas emotional unterwegs war. Vor allem aber stolz.
Die Ziegen der Schule; in den Ferien habe ich hier auch beim Impfen geholfen
Das Team von Asa Branca; teilweise waren Leute leider nicht da
Vor Weihnachten war ich noch knapp drei Tage in der Gemeinde „Fraser“ zu Besuch. Diese hatte ich schon durch mehrere Veranstaltungen mit der Bibelschule kennen lernen können, weswegen es wirklich sehr schön war. Wir blieben bei der Familie von Lucilene und Roberto, die sich beide in der Bibelschule vor Ort engagieren und dadurch eng mit Mandacaru zusammenarbeiten. Wir besuchten auch die jeweiligen Familien der Beiden in ihren Häusern und wurden überall mit einem großen Lächeln und sehr viel Essen begrüßt. Unsere Tage verbrachten wir beim Essen in der Hängematte, denn uns wurde aufgetragen uns auszuruhen. Das Portugiesische Wort hierfür ist „descancar“ und das habe ich in den wenigen Tagen, die Hannah und ich dort waren wirklich sehr oft gehört. Höflichkeit Gästen gegenüber wird hier nämlich sehr groß geschrieben.
Wir wurden unter anderem auch eingeladen an einer „celebração“ (dt.: Feier) und an einem Treffen der Bibelschule von Fraser teilzunehmen, was natürlich danken angenommen wurden. Während der Celebração gab es dann auch aufgrund eines Unwetters inklusive Blitz und Donner einen Stromausfall und ab dann ging es im Schein einer Handytaschenlampe weiter.
„Celebração“ vor dem Stromausfall
Blick aus meiner Hängematte
Lieblingsnachtisch dieser Tage bestehend aus Pudding, Kekse und Sahne; sehr lecker
Ein weiteres Projekt von Mandacaru, in das wir über die letzten Monate verteilt immer mal wieder mitgenommen wurden ist der Bau von Zisternen im Rahmen eines staatlich geförderten Programms.
Dieses Programm wurde unter dem ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro gestoppt und jetzt offiziell im November, befähigt durch die derzeitige Regierung unter Lula da Silva, wieder aufgenommen. Es geht darum, Menschen den Zugang zu genügen Wasser auch während den trockenen 6-9 Monaten des Jahres sicher zu stellen.
Bei den Zisternen handelt es sich um eine Version, die knapp 16.000 Liter fasst. Dieses Wasser wird während den trockenen Zeiten als Trinkwasser zum Kochen etc. benutzt. Das Regenwasser hierfür wird in der momentanen Regenzeit von Dezember – April über eine Regenrinne am Haus der Familie gewonnen.
Insgesamt werden für den Bau 130 Platten aus Zement, Sand und anderen Bestandteilen benötigt. 88 davon bilden die Wände, 21 weitere das Dach und die restlichen 21 werden als Stützen für das Dach genutzt.
Damit eine Familie eine solche Zisterne erhalten kann muss sie neben anderen Kriterien und Vorbereitungsmaßnahmen auch an einem 2tägigen Kurs teilnehmen, in dem über den richtigen Umgang mit der Zisterne und mit Wasser im Allgemeinen gesprochen wird. Diese Kurse werden teilweise auch von Mandacaru ausgerichtet, weswegen wir auch hier schon mehrfach dabei sein durften.
Fertige Platten aus Zement, die mithilfe von verschiedener Rahmen gegossen werden
Blick von innen in fertig gestellte Zisterne; beim Reinklettern bin ich fast im Loch stecken geblieben
Sisterne von innen; während des Trocknens durch Holzstangen stabiisiert, die später entfernt werden
Fertige Zisterne mit Plakette; bereits angeschlossen an die Regenrinne um Regenwasser aufzufangen
Weihnachten dieses Jahr war außergewöhnlich. Nicht nur, weil es mein erstes Weihnachten war, das ich nicht mit meiner Familie in Deutschland verbracht habe, sondern weil es konstant 34-36 Grad heiß war. Die Sonne schien, weshalb meine gewöhnliche Weihnachtsstimmung, die mit heißer Schokolade und dicken Pullovern verbunden ist, etwas auf sich warten ließ. Letztendlich kam sie dann aber doch und die Leute meiner Einsatzstelle mussten meine schief und schräg gesungenen Weihnachtsklassiker aushalten.
Den 24.Dezember selbst habe ich zusammen mit Hannah, unserer Gastfamilie und einigen unserer Nachbarn verbracht. Den Tag über wurde gekocht und abends saßen wir dann über Truthahn, „leitão assado“ (gebratenes Schweinefleisch), Reis, Feijão (Bohnen) etc. zusammen und es wurde geredet und gelacht. Vorher wurde aber noch die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und miteinander gesungen. Gott sei Dank gab es Liederbücher, sonst hätte das wahrscheinlich nicht so gut geklappt.
Weihnachtsabend; v. l. n. r.: Hannah, Lúcia, Maria, Emily, Daniela, Thomas, ich, Adeodata, Marlene, Felipe & Devan
Der 25. Dezember wird hier im Rahmen der Familie ganz entspannt und klein gefeiert. Es gab ein gemeinsames Mittagessen und den Nachmittag verbrachte ich in der Hängematte.
Im Januar waren wir das erste Mal so richtig am Strand. Anlass dafür war der 80. Geburtstags von Maria und ihr Wunsch ans Meer zu fahren. Also hat die Gastfamilie Hannah und mich mitgeholt und wir sind nach Luis Correia in der Nähe von Parnaiba gefahren. Ungefähr 3 ½ Stunden Autofahrt. Dort haben wir drei Tage lang in einem Haus keine 100 Meter vom Meer entfernt gewohnt. Im Meer baden, Essen und Sonnenbrand waren in diesem Urlaub für mich an der Tagesordnung.
Meine Gastfamilie, Hannah und ich; von l. n. r.: Maria, Felipe, Marlene, Devan, Thomas, Lúcia, ich und Hannah
Sonnenaufgang am Strand von Coqueiro / Luis Correia
Sonnenaufgang am Strand von Coqueiro / Luis Correia
Ende Januar hatten Hannah und ich die Möglichkeit eine Woche im Interior „Tapera dos Vital“ an der Grenze von Piauí zu Ceará zu verbringen. Wir schliefen dort im Haus von Genivaldo und seiner Frau Claudia, die eng mit Mandacaru verbunden sind.
Tapera hat eine sehr engagierte Jugend, weswegen in diesen Tagen keine Langweile aufkam. An einem Tag waren wir bei Aline, deren Familie hinterm Haus mehrere Maracuja-Felder hat, bei deren Bestäubung wir mitgeholfen haben. Das hat schon relativ lang gedauert und die Familie macht das zweimal am Tag, morgens und abends.
Außerdem konnten wir das „Projeto Renascer“ (dt: „Projekt des Wiederauflebens“) besuchen, das die Gemeinde mit der Hilfe von unterschiedlichen Institutionen ins Leben gerufen hat. Auslöser hierfür war ein Waldbrand im Jahr 2021 bei dem knapp 95 % der dortigen Flora und Fauna zerstört wurde. Das Projekt pflanzt neue Pflanzen und forstet diese auch auf. All das geschieht ehrenamtlich.
Ortsschild von Tapera inklusive Plakette des „Projeto Renascer“
Maracuja-Blüten
Ah und ich habe viel Volleyball gespielt bzw. zugeschaut. Die Dorfjugend hat nämlich knapp eine Woche bevor wir kamen angefangen sich jeden Abend zum Spielen zu treffen und haben dazu sogar ein Spielfeld hergerichtet.
So meine lieben Leute, ich glaube das war es jetzt von mir. Das oben war nur eine kleine und feine Auswahl an Dingen, die mir in der letzten Zeit passiert sind und die ich hier miterleben konnte. Natürlich gibt es mehr, wie eigentlich immer.
Ich hoffe trotzdem, dass ihr jetzt so ungefähr wisst, was bei mir gerade so läuft.
Liebe und sonnige Grüße aus Brasilien!
Tchau e até mais!
Teresa