Bolivien: 1. Rundbrief von Kaja Dittmann
Bolivien
Kaja Dittmann
01.02.2025
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„Hola“ aus Cochabamba. Nun bin ich schon mehr als 4 (!) Monate in Bolivien und werde versuchen euch einen Einblick meiner bisherigen Zeit zu geben, in der ich schon sehr viel erlebt habe. Bitte beachtet, dass alles aus meiner (europäisch geprägten) Perspektive ist und teilweise Sprachprobleme ein Hindernis darstellen.

Anfangszeit

Ich sitze im Flugzeug, zusammen mit den anderen Freiwilligen, bin nervös und voller Vorfreude auf die nächsten 13 Monate in Bolivien. Angekommen in Santa Cruz wurden wir abgeholt von der Hermandad Bistümer Trier - Hildesheim (übersetzt: Bruderschaft) unserer hiesigen Partnerorganisation. Am nächsten Tag ging es weiter nach Trinidad, wo wir mit traditionellen Tänzen begrüßt wurden, was sich sehr besonders angefühlt hat. Dort fand unser dreitägiges Einführungsseminar statt, welches voller Programm gefüllt war. Wir machten eine Tour durch den Regenwald, besuchten den Bischof, melkten Kühe auf einer Farm und halfen in einer Suppenküche. Während des Seminars begleitete uns eine Freiwillige, die schon ein Jahr in Bolivien verbracht hatte und sie konnte uns somit wertvolle Tipps geben und vieles über ihre Erfahrungen und Erlebnissen erzählen. Bspw. haben wir mit ihr das erste Mal Bargeld abgehoben und haben alles rundum den Wechsel der Simkarte geregelt. Diese Tage sind wie verflogen und danach trennten sich unsere Wege.

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Mit den anderen Freiwilligen, unserem Koordinator Walter und der Vorfreiwilligen Ronja auf einer Farm in Trinidad

Nachdem ich nach 20 Stunden Busfahrt von Trinidad in Cochabamba angekommen bin, wurde ich herzlich empfangen und abends lernte ich meine Gastfamilie kennen. In meiner Gastfamilie habe ich zwei Gastschwestern, die 27 und 38 Jahre alt sind, ihre Eltern und ihre Großmutter, die gepflegt werden muss und 94 Jahre alt ist. Da meine Gasteltern beide nicht mehr zur Arbeit gehen, haben wir jeden Tag zusammen zu Mittag gegessen. Das Familienleben hat mir gut gefallen und sie haben mich auch unterstützt, in dem sie mich bspw. mit dem Auto mal abgeholt haben. Allerdings wohnte ich nur für 6 Wochen bei meiner Gastfamilie, um mich in Bolivien einzugewöhnen und bin danach in das Distrikt der Pfadfinder umgezogen. Das Distrikt ist der Treffpunkt der Pfadfinder, in dem die Leiter:innen ihre Besprechungen haben und Aktivitäten stattfinden, wie bspw. Übernachtungspartys einzelner Gruppen. Hier habe ich ein eigenes Zimmer und einen Bereich, den ich mir mit einem bolivianischen Mitbewohner teile. Ich habe eine Zeit gebraucht, um mich zurechtzufinden und alles rund um den Haushalt zu regeln, weil ich das erste Mal ohne eine Familie wohne. Allerdings habe ich mittlerweile meine Routinen gefunden und komme jetzt gut klar. Da meine Gastschwester Carmen eine Pfadfinderin ist, hatte ich sehr schnell Kontakt zu meinem zukünftigen Projekt bei den Pfadfindern. In meiner Gastfamilie habe ich mich auch sehr schnell eingefunden und nach zwei Wochen startete dann auch schon unser vierwöchiger online Spanisch-Sprachkurs, den ich zusammen mit den anderen Freiwilligen meiner Organisation hatte. Dieser Kurs war sehr hilfreich, um sich besser verständigen zu können.

In meiner Anfangszeit begleitete mich meine Vorfreiwillige Sophie in meinem Projekt und zeigte mir bspw. wie man hier Trufi (Minibusse) fährt. Denn hier gibt es keine Bushaltestellen, wo man auf den Bus wartet, sondern man stellt sich an die Straße, streckt bei dem richtigen Trufi (es gibt viele verschiedene Linien) den Arm aus und steigt ein. Wenn man wieder aussteigen möchte, sagt man „Voy a bajar por favor“ (ich möchte bitte aussteigen) oder etwas ähnliches. Dies hat mich am Anfang etwas Überwindung gekostet, allerdings habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt. Über diese Tipps bin ich Sophie sehr dankbar und diese erleichterten mir einiges.

Begegnungsreise

Im September stand dann etwas Besonderes auf dem Plan:

Die Begegnungsreise oder auch „Viaje de la amistad“ (Freundschaftsreise) fand statt, welche alle zwei bzw. vier Jahre zwischen den Deutschen (DPSG Trier) und Bolivianischen Pfadfindern (ASB - DS Cochabamba) stattfindet. Dabei ist es so, dass alle vier Jahre eine Deutsche Pfadfindergruppe nach Bolivien reist und versetzt alle vier Jahre eine bolivianische Pfadfindergruppe nach Deutschland reist. Dort sind jeweils vier Wochen voller Programm geplant. Somit verbrachte ich den ganzen September mit 15 Deutschen, wobei vier ehemalige Freiwillige meines Projektes dabei waren, welche mir auch viele hilfreiche Tipps aus ihrem Freiwilligendienst gaben. Da für jeden Tag etwas geplant war, wurde es auch nicht langweilig. Einen Tag haben wir eine Fahrradtour und ein anderes Mal sind wir z. B. nach Villa Tunari (tropisches Gebiet) gefahren und haben dort Rafting gemacht. Mein Highlight der gesamten Reise war der dreitägige Ausflug zum Salar de Uyuni - die weltweit größte Salzwüste mit mehr als 10.000 Quadratkilometern. Diese Natur dort war sehr beeindruckend, da wir bspw. an den Lagunen freilebende Flamingos gesehen haben und Lamaherden in den Anden. Generell finde ich die Diversität von Boliviens Natur sehr beeindruckend, da man z. B. von Cochabamba aus nur 3 Stunden fahren muss, um in tropischen Gebieten zu sein. Außerdem wurde eine „Noche Boliviana“ veranstaltet, bei der wir viel über die Kultur Boliviens erfahren konnten. Im Gegenzug dazu veranstalten wir als Deutsche eine „Noche Alemana“ zu der wir unter anderem deutsches Essen für 100 Personen zubereiteten. Dafür kochten wir vorher alle einen Tag zusammen, da es selbstgemachte Spätzle mit Rotkohl und Frikadellen gab. Für diesen Monat bin ich sehr dankbar, da ich so schon am Anfang meines Freiwilligendienstes viel von Bolivien sehen konnte und ich auch viele tolle Menschen kennenlernen durfte.

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Mit der „Viaje de la amistad“ beim Salar de Uyuni

Arbeit im Projekt

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Bei meiner Arbeit bei Tackoloma mit den anderen Freiwiligen und den Kindern

Im Oktober fing dann meine Arbeit im Projekt an und somit auch mein Alltag. Unter der Woche arbeite ich noch mit einer anderen Organisation (Bolivia Digna) zusammen, bei der ich jeden Nachmittag nach der Schule der Kinder  mit anderen internationalen Freiwilligen Kinder betreue, aufgeteilt in jüngere (3-8 Jahre) und ältere (9-14 Jahre) Kinder. Zu Beginn durfte ich alle Gruppen einmal begleiten, um dann zu entscheiden, mit welcher ich am besten klarkomme. Denn es gibt zwei Standorte bzw. Häuser, wo die Kinder hinkommen können: Tackoloma und Mercador. Diese beiden Orte liegen etwas außerhalb der Stadt, wo ärmere Verhältnisse herrschen. Ich habe mich letztendlich für die jüngeren Kinder (pequeños) bei Tackoloma entschieden. Dabei planen wir wöchentlich unterschiedliche Aktivitäten, wie bspw. mittwochs einen Sporttag. An den anderen Tagen möchten die Kinder meistens erstmal malen und danach starten wir dann gemeinsam die Aktivität oder helfen den Kindern bei ihren Hausaufgaben.

 Bei den Pfadfindern finden immer samstagnachmittags die Gruppenstunden statt. Aktuell bin ich noch dabei die unterschiedlichen Stämme zu besuchen (insgesamt gibt es in Cochabamba 22 Pfadfinderstämme), um mir dann einen auszusuchen, mit dem ich vor allem die weiteren Gruppenstunden verbringen werde. Auch an einem Lehrgang habe ich schon teilgenommen, der an einem Wochenende stattgefunden hat. Hier haben wir uns mit den Strukturen der Pfadfinder und der Planung von den Gruppenstunden beschäftigt. Das war sehr hilfreich für mich, da ich in Deutschland keine Pfadfinderin war und somit erstmal einige Dinge lernen muss. Denn es gibt hier einige Regeln: Wenn man z. B. das pañoleta (Halstuch) trägt, darf man keinen Alkohol trinken und nicht rauchen und auch die Patches auf der Kluft (kakifarbenes Hemd) müssen an einer bestimmten Stelle aufgenäht werden. Am Wochenende habe ich bei einem Zeltlager der Lobatos (Wölflinge, Kinder von 7-10 Jahren) teilgenommen und mitgeholfen die Kinder zu betreuen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, denn das Zeltlager war bis ins kleinste Detail durchgeplant. Als Thema wurde Minecraft ausgewählt, was wirklich überall zu erkennen war.

Außerhalb meiner Arbeit gehe ich unter der Woche bspw. jeden Dienstag zu Tandem, was ein internationaler Austausch ist, um mein Spanisch zu verbessern und neue Menschen kennenzulernen. Tandem findet wöchentlich in anderen Restaurants statt, um so auch neue Lokale kennenzulernen, was ein schöner Nebeneffekt ist, da Cochabamba die Stadt der Gastronomie in Bolivien ist, was ich nur bestätigen kann. Im nächsten Rundbrief werde ich noch etwas mehr auf das typische Essen Boliviens eingehen.

Beim Lehrgang

Todos Santos

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Der reichliche gedeckte Altar mit all seinen Gaben für den Verstorbenen

Allerheilgen ist ein Fest, was hier in Bolivien ganz anders als in Deutschland gefeiert wird. Ich bin mit einer Freundin und einer anderen Freiwilligen in ein Dorf namens Tiataco gefahren, um dort Todos Santos zu feiern, da es auf dem Land noch traditioneller als in der Stadt gefeiert wird. Nachdem wir angekommen sind, haben wir nach schwarzen und lila Tüchern gesucht. Denn wenn die Leute diese an ihre Haustür hängen, bedeutet es, dass jeder willkommen und eingeladen ist. Als wir so ein Haus gefunden haben, wurden wir mit Getränken begrüßt und haben vor einem reichlich gedeckten Tisch für die verstorbene Person 5x das Vater Unser und 3x das Ave Maria gebetet. Danach haben wir den Angehörigen noch unser Beileid bekundet und dann wurde uns ein Essen serviert. Als wir uns verabschiedet haben, wurden uns noch reichlich selbstgemachte Gebäcke mitgegeben. Zufällig kam eine Gruppe von Kindern vorbei, denen wir uns dann angeschlossen haben, um mit ihnen weiter von Haus zu Haus zu gehen. Am Ende des Tages war ich sehr beeindruckt, wie gastfreundlich die Bolivianer:innen sind und wie schön dieser Feiertag hier zelebriert wird.

Ausflug nach La Paz

Anfang November wurden alle deutschen „weltwärts“ Freiwilligen in die Residenz des deutschen Botschafters nach La Paz zu einem Treffen bzw. Austausch eingeladen. Wir waren in etwa 60 Freiwillige und haben ein schönes Wochenende zusammen verbracht. Mir hat dieser Austausch sehr gut gefallen, da ich auch so viele neue Menschen kennengelernt habe und mich über viele Dinge austauschen konnte und von anderen Freiwilligen mal hören konnte, was ihre bisherigen Erfahrungen sind. La Paz ist die Regierungshauptstadt von Bolivien, liegt auf einer Höhe von 3600 m und hat etwa 800.000 Einwohner. Da die Stadt sich über ein Gebirge erstreckt, werden dort Gondeln als öffentliche Transportmittel genutzt. La Paz fand ich sehr überwältigend und ist ganz anders als Cochabamba.

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Den Sonnenuntergang in den telefericos (Gondeln) genießen

Día del peatón

Der Tag des Fußgängers findet in Cochabamba alle drei Monate sonntags statt und ist ein Tag an dem keine Autos fahren dürfen, was bedeutet, dass viele Leute mit ihren Fahrrädern durch die Straßen fahren oder ganz gemütlich spazieren. Für mich fühlt es sich wie ein Stadtfest an, da es auf den Straßen sehr viele Stände mit Essen und anderen Angeboten gibt. Ich habe diesen Tag jetzt schon zweimal miterlebt und fand ihn jedes Mal toll, da die Stadt dann auch mal ohne den Verkehr sehr ruhig ist.

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Insgesamt habe ich mich hier schon sehr gut hier eingelebt, bin zufrieden und merke, dass ich hier so langsam angekommen bin, meinen Alltag und meine Routinen habe und es auch schaffe, einige Wege ohne die Unterstützung von GoogleMaps zu gehen ;) Auch sprachlich wird es mit meinem Spanisch immer besser, sodass ich immer mehr verstehe und auch gut mit den Bolivianern hier kommunizieren kann.

Liebe Grüße aus Bolivien und hasta luego (bis bald),

Eure Kaja

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